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Interview mit Professor Dr. Holger Volk zu den Einsatzmöglichkeiten von Corona Spürhunden

01.03.2021

Prof. Dr. Peter VolkBereits im Sommer vergangenen Jahres veröffentlichten Forschende aus der Klinik für Kleintiere und des Research Center for Emerging Infections and Zoonoses der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo) als Erste eine Studie, in der sie zeigten, dass trainierte Spürhunde in der Lage sind, anhand von Speichelproben Infektionen mit SARS-CoV-2 beim Menschen zu identifizieren. Das Erstaunliche: Die Ausbildung motivierter Hunde dauert lediglich rund eine Woche, wobei die mittlere Detektionsrate bei 94 Prozent liegt, mit einer Sensitivität von 83% und einer Spezifität von 96% (Jendrny et al. 2020).

Was das für die Praxis der Pandemie-Bekämpfung und die Rückkehr zur Normalität bedeutet und wie solche Hunde eingesetzt werden können bzw. in anderen Ländern bereits werden, verrät Prof. Dr. Holger Volk, Leiter der Klinik für Kleintiere der TiHo Hannover, Vetion.de in einem Interview.

Vetion.de
Prof. Volk, die Ergebnisse Ihrer Studie sind ja sehr vielversprechend. Hohe Trefferquote bei kurzer Ausbildungszeit und dazu noch einfach im Handling, nachhaltig und umweltfreundlich, ohne anfallenden Plastikmüll oder dem Risiko falsch negativer Ergebnisse aufgrund einer fehlerhaften Probennahme. Und das alles anhand einer unaufwendigen Speichelprobe. Das könnte man Win-Win auf der ganzen Linie nennen.

Gehen wir recht in der Annahme, dass Sie und die beteiligten Organisationen sich vor Nachfragen nach diesen Hunden oder der Anfrage für eine Ausbildung von Hunden kaum retten können?

Volk
In der Tat ist die Anfrage von Hundehaltern, ihre Tiere zu einem Corona-Spürhund ausbilden zu lassen, recht groß. Allerdings ist das so einfach auch nicht, da für die Ausbildung der Tiere ja nicht nur ein Schnüffelkasten benötigt wird, sondern auch inaktivierte Proben von Sars-CoV-2-positiven Personen. Gleichzeitig geht die Nachfrage von Seiten des Gesundheitsministeriums oder anderer öffentlich zuständiger Stellen nahezu gen Null. Die Zuständigen in Deutschland setzen scheinbar lieber auf konventionelle Labor- oder Schnelltests. Das Zutrauen in die Fähigkeiten von Hunden sind in Deutschland bislang nicht sehr ausgeprägt, obgleich auch andere ähnliche Studien die gleichen positiven Ergebnisse offenbart haben. Das ist in anderen Ländern wie Großbritannien, Finnland, Vereinigte Emirate und den USA anders. Hier wurden solche Hunde sogar beim letzten Super Bowl eingesetzt.

Vetion.de:
Was genau riechen die Hunde bei Sars-CoV-2-infizierten Personen und ab welchem Infektionstag etwa?

Volk:
Wir gehen davon aus, dass die Viren bereits vor ihrer Replikation die Stoffwechselprozesse der befallenen Zellen verändern. Dies ist es, was die Hunde riechen können. Zumindest zeigen Untersuchungen aus Finnland, dass die Hunde infizierte Personen bereits vor dem Auftreten klinischer Symptome identifizieren können. Da die Stoffwechselprozesse aber auch während der Phase der Virusausscheidung verändert sind, können die Hunde auch virämische Personen erkennen.

Vetion.de:
Was bedeutet das jetzt für die Praxis, also im Sinne der Pandemie-Bekämpfung und einer Rückkehr zur Normalität?

Volk:
Meiner Meinung nach, könnten bereits ausgebildete Spürhunde, ob Drogen-, Sprengstoff- oder Zollhunde, binnen sehr kurzer Zeit zu einem Corona-Spürhund ausgebildet und bei der Identifikation von Sars-CoV-2 infizierten Personen eingesetzt werden. Ich denke da an Urlaubsrückkehrer auf Flug- und Bahnhöfen, kleinere bis mittlere Veranstaltungen oder an Altersheime. Aber sicher sind noch viel mehr sinnvolle Szenarien denkbar, in denen die Hunde erfolgreich eingesetzt werden könnten.

Vetion.de:
Mir würden da spontan Messen, Einkaufzentren, Restaurants, Fußgängerzonen, Theater, Kinos, Universitäten und große Betriebe einfallen.

Wie müsste man denn vorgehen, wenn man sich für den Einsatz von solchen Hunden interessiert? An wen müsste ich mich bzgl. der Genehmigung dieses Corona-Sicherheitskonzeptes wenden und woher bekomme ich solche Hunde?

Volk:
Nun, hier bin ich sicherlich kein Experte, aber ich würde mich an das zuständige Gesundheitsamt wenden und das mit den Zuständigen dort besprechen. Unserer Erfahrung nach sind viele Ämter für erfolgversprechende, zielführende Ideen aufgeschlossen und dankbar.
Wenn ich einen solchen Hund einsetzen wollen würde, würde ich mich an eine private Einrichtung wenden, die nach Sprengstoff oder Bomben suchen. In jedem Fall müsste die Ausbildung von motivierten Hunden, die Spaß haben an der Arbeit, professionell erfolgen und auch zertifiziert sein. Es müsste jedoch auch noch das Problem gelöst werden, dass man für die Ausbildung positive, aber inaktivierte Proben benötigt. Dies ist in meinen Augen vor allem eine logistische Aufgabe. Zudem muss für eine erfolgreiche Arbeit der Hunde auch sichergestellt werden, dass die Tiere immer mal wieder ein Erfolgserlebnis haben im Sinne einer positiven Probe. Wenn die Suche immer nur negativ verläuft, zeigt das zwar, dass die Corona-Bekämpfungsmaßnahmen Früchte tragen, es frustriert aber die Hunde.

Vetion.de:
Lieber Herr Volk, wir danken Ihnen für dieses Gespräch und hoffen auf mehr Offenheit von Seiten der Politik für neue Ansätze, insbesondere, wenn sie so vielversprechend sind.

Jendrny, P., Schulz, C., Twele, F. et al. 
Scent dog identification of samples from COVID-19 patients – a pilot study. 
BMC Infect Dis 20, 536 (2020).
https://doi.org/10.1186/s12879-020-05281-3