Der Tierärztemangel hat unter anderem zu vermehrten Schließungen von Tierkliniken geführt. Das hat zur Folge, dass die noch verbliebenen Kliniken besonders zu Nachtzeiten mitunter einen sehr hohen Zulauf haben. Nicht immer reagieren die Tierbesitzer:innen auf die teils langen Wartezeiten mit genügend Geduld. Auch die Geschäftsführerin der Tierklinik AniCura Recklinghausen, Dr. Martina Krutzinna, berichtet über ungeduldige und verständnislose Tierbesitzer:innen, die vor allem während der Notdienste im Wartezimmer pöbeln und schimpfen, teilweise sogar handgreiflich werden. Zu den längeren Wartezeiten kommen aus Sicht der Tierhalter:innen auch die erhöhten Behandlungskosten seit der Gebührenerhöhung im November 2022 hinzu.
„Den Leuten geht es oft nicht schnell genug. Zumal sie nicht wissen, was im hinteren Bereich passiert. Dabei tun wir unser Bestes. Hier geschieht so viel Gutes“, beschreibt Klinik-Managerin Antje Terdenge die Situation. Das Klinikpersonal, die 18 Tierärzt:innen und zahlreiche Tiermedizinische Fachangestellte, arbeite rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr. Hinzu komme, dass die nächsten Tierkliniken sich in Duisburg oder Bielefeld befinden, viele Kilometer entfernt, sagt Terdenge.
Das Verständnis für die Tierbesitzer:innen sei dennoch da, sogar in kritischen Fällen, wenn beispielsweise das Geld nicht für die teils teuren Behandlungen reiche. „Wir schicken niemanden weg, der lebensbedrohlich erkrankt ist“, betont Krutzinna. Außerdem sei zum Beispiel Ratenzahlung möglich. Grundsätzlich sei eine Tier-Krankenversicherung dringendst empfohlen, denn eine Behandlung kann schnell weit über 1.000 Euro kosten.
Nach mehreren bedrohlichen Vorfällen während der nächtlichen Notfallsprechstunde hat sich die Klinik nun entschlossen, die Sicherheitsmaßnahmen zu intensivieren und einen Wachdienst zu beauftragen bzw. eine Sicherheitsschleuse zu installieren, um auch die Mitarbeitenden vor pöbelnden Tierbesitzer:innen zu schützen. „Wir müssen in unsere Sicherheit investieren“, sagt Martina Krutzinna, „denn sonst kündigt immer mehr Personal, und wir können den Notdienst nicht mehr aufrechterhalten.“ Eine äußerst traurige Entwicklung, aber leider notwendig.
Recklinghäuser Zeitung
Deutschland gilt seit dem Jahr 2008 als frei von terrestrischer Tollwut. Durch systematische Bekämpfungsmaßnahmen konnte die Zoonose getilgt werden. Wer mit Hund, Katze oder Frettchen ins Ausland reisen möchte, muss einen Heimtierausweis für seinen Vierbeiner mitführen, in dem die Tollwutimpfung dokumentiert ist. Mit dieser Maßnahme soll eine Einschleppung der gefährlichen Krankheit verhindert werden. Reisende sollten sich daher im Vorfeld über die jeweiligen Bestimmungen im Urlaubsland informieren und den Impfstatus ihres begleitenden Haustieres prüfen, empfiehlt die Bayerische Landestierärztekammer (BLTK).
Illegal eingeführte Hunde haben jedoch das Risiko des Auftretens neuer Tollwutfälle stark erhöht. Denn gerade in Ländern wie Polen, Ukraine oder Belarus ist die Tollwut noch immer verbreitet. Hunde sollten daher auf keinen Fall illegal aus Urlaubsländern nach Deutschland gebracht werden bzw. aus illegalen Importen gekauft werden. Denn neben dem Risiko, die gefährliche Viruserkrankung einzuschleppen, müssen die neuen Hundehalter:innen mit hohen Quarantäne- und Behandlungskosten sowie diversen Verhaltensstörungen der Tiere rechnen. Zudem weist die BLTK darauf hin, dass Bußgelder erhoben werden können.
Tierärzt:innen können sich noch bis zum 26.10.2023 auf Myvetlearn.de online zum Thema Zoonosen fortbilden. In zwei, getrennt buchbaren Kursen geht Prof. Stephan Neumann (Universität Göttingen) auf die wichtigsten Zoonosen, die in der Tierarztpraxis sowie der Arztpraxis am häufigsten vorkommen, ein.
BLTK
Am 8. Oktober 2023 findet die nächste Landtagswahl in Hessen statt. Das hat die Landestierärztekammer Hessen (LTK) zum Anlass genommen und Wahlprüfsteine formuliert. Neben einer Überarbeitung der Gefahrenabwehrverordnung sorgt sich die LTK Hessen besonders um den Fachkräftemangel in der Veterinärmedizin, der noch immer große Probleme bereitet. Die Bereitstellung zusätzlicher Studienplätze, aber auch eine Änderung des Arbeitszeitgesetzes sowie Bürokratieabbau könnten aus Sicht der LTK Hessen zumindest ansatzweise das Problem lösen. Auch das Aufkaufen von Praxen und Kliniken durch Investoren bereitet zunehmend Sorge und erfordert nach Meinung der LTK eine Änderung des Heilberufsgesetzes.
In einem der Wahlprüfsteine formuliert die hessische Tierärztevertretung daher die Frage, ob sich die Politiker:innen für eine entsprechende Änderung einsetzen werden. Die Verteilung der Behandlungskosten von Wildtieren, die immer häufiger in Tierarztpraxen und den Tierschutzvereinen landen, ist Inhalt eines weiteren Wahlprüfsteins. Da auch die Aufnahmestationen schon jetzt überfüllt sind, stellt die LTK Hessen den Parteien zudem die Frage, welche Maßnahmen nach ihrer Meinung ergriffen werden sollen, um dieser Situation zu begegnen. Noch haben sich nicht alle Parteien zu den Wahlprüfsteinen geäußert.
LTK Hessen