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Tierarztmangel: Arbeitszeitgesetz muss umgehend flexibilisiert werden

Der seit Jahren anhaltende Mangel an tiermedizinischen Fachkräften gefährdet zunehmend eine flächendeckende Versorgung von Haus-, Hobby- und Nutztieren. Der Personalmangel schränkt insbesondere den Not- und Nachtdienst ein. Das gefährdet nicht nur die Tiergesundheit, sondern auch den Tierschutz. Ein verändertes Auswahlverfahren für Studierende der Veterinärmedizin, angepasste Studieninhalte, verbesserte Arbeitsbedingungen sowie eine Entbürokratisierung des Berufsalltags könnten u.a. zur Lösung dieses Konfliktes beitragen, wie die Bundestierärztekammer (BTK), die Landestierärztekammern sowie der Bundesverband praktizierender Tierärzte (bpt) erklären.

In einer gemeinsamen Presseerklärung fordern die Verfasser:innen die Bundesregierung auf, das Arbeitszeitgesetz zu flexibilisieren, damit die verfügbaren Arbeitszeiten sinnvoller verteilt werden können. Die Tierärzteschaft schlägt in ihrer Erklärung erneut eine gesetzliche Umstellung von einer Tages-Höchstarbeitszeit auf eine Wochen-Höchstarbeitszeit sowie eine begrenzte Verkürzung vorgegebener Ruhezeiten und flexible Wochenend- und Feiertagsregelungen vor. Nur so könne sichergestellt werden, dass angestellte und selbstständige Tierärztinnen und Tierärzte den tierärztlichen Notdienst aufrechterhalten können. Die Verantwortlichen aus Politik und Verwaltung sind aufgefordert, die im Koalitionsvertrag der Bundesregierung vereinbarte Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes aktiv umzusetzen.

Auch der Dessauer Zukunftskreis (DZK) befasst sich am 27. und 28. September 2023 erneut im Rahmen eines Branchentreffens mit dem Tierärztemangel sowie möglichen Lösungsansätzen. Diese Vorschläge werden im Anschluss an das Treffen in Wörlitz auf der Webseite Tierarztmagel.de veröffentlicht. Hier werden auch News zum Thema Tierärztemangel veröffentlicht.

Außerdem informiert die Webseite des DZK BerufTierarzt.de über die Vielfältigkeit des tierärztlichen Berufs sowie das Studium der Veterinärmedizin. Tierärztinnen und Tierärzte aus allen bereichen sind herzlich eingeladen, dabei mitzuwirklen.

bpt

Tierarztmangel.de

bpt widerspricht BaT bei Beurteilung der Flexibilisierung des AZG

Am 5. Juni hat der Bund angestellter Tierärzte (BaT) mitgeteilt, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) einer Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes exklusiv für die Tiermedizin eine Absage erteilt hat. Die Parlamentarische Staatssekretärin Anette Kramme habe dem BaT sogar schriftlich mitgeteilt, dass das Arbeitszeitgesetz genügend Möglichkeiten biete, um den tierärztlichen Notdienst sowie Nacht- und Wochenenddienste für Arbeitnehmer und Arbeitgeber angemessen zu gestalten. Der bpt sei auch auf die weitergehenden tariflichen Gestaltungsmöglichkeiten aufmerksam gemacht worden. Letzteres dementierte der Geschäftsführer des bpt, Heiko Färber, jetzt auf der Webseite des Verbandes. Dort heißt es:

1. Der bpt hat bis dato weder eine – wie vom BaT erwähnt – offizielle schriftliche Mitteilung noch irgendeine informelle Mitteilung vom BMAS in dieser Sache erhalten (Stand 19. Juni 2023). Die suggerierte offizielle Position des BMAS scheint es also nicht zu geben,

2. Ganz im Gegenteil. Im F.A.Z.-Interview vom 25. Mai 2023 antwortet der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Johannes Vogel, auf die Frage, ob es mehr Spielräume für flexible Arbeitszeiten geben soll und ob er dazu schon Pläne des Arbeitsministers kenne: „Nein, und da gerät der Arbeitsminister auch zunehmend in Verzug.“ Und weiter: „Es ist Aufgabe der Politik, es möglich zu machen, wenn jemand seinen vollen Lohn an vier Tagen erarbeiten möchte. Wenn in einem Arbeitsverhältnis 35 oder 38 oder 40 Stunden pro Woche vereinbart sind, dann muss man den Menschen doch nicht zusätzlich vorschreiben, dass sie diese Stunden auf 5 Tage verteilen müssen.“ Das hört sich klar danach an, dass es eben keine abgestimmte Position der Ampel-Koalition gibt, es sich bei der Mitteilung an den BaT folglich nur um die (unabgestimmte) Meinung des BMAS handelt. Deshalb steht die AZG-Flexibilisierung, wie im Ampel-Koalitionsvertrag vereinbart, auch weiter auf der Agenda und deshalb wird sich der bpt gemeinsam mit dem Bundesverband Freier Berufe (BFB) auch weiterhin für eine gesetzliche AZG-Flexibilisierung für Notdienstberufe stark machen – und zwar im Sinne von flexiblerer Arbeitseinteilung, nicht im Sinne von Mehrarbeit für die angestellten Tierärzte/innen.

3. Bereits mit Schreiben vom 25. November 2019 (!) hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil auf die Anfrage der damaligen Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner wie folgt geantwortet: „Auf der Arbeitnehmerseite strebt der 2016 gegründete Bund angestellter Tierärzte (BaT) einen Tarifvertrag an. Außerdem haben sich zwei Arbeitgeberverbände gegründet (VUK und GfT). Aus diesen Verbänden können sich Tarifpartner entwickeln, die dann Tarifverträge für angestellte Tierärzte vereinbaren. Wie im Bereich der Humanmedizin wären so bei Bereitschaftsdienst auf 24-Stunden-Dienst möglich.“
Ob das den BaT-Mitgliedern bewusst ist? Diese Mitteilung ist jetzt 4 Jahre alt. Trotz dramatischer Notdienstkrise, Rückgang der Klinikzulassungen und Tierärztemangel, hat der BaT in dieser Sache in 4 Jahren nichts vorangebracht, keine Verhandlungspartner gefunden, keinen Tarifvertrag geschlossen. Mit Blick auf die flächendeckende Tierarztversorgung und damit den Tierschutz, vor allem aber auch mit Blick auf das „Well-Being“ der Selbständigen, auf deren Schultern das Notdienstsystem in der Fläche immer noch lastet, halte ich die kategorische Ablehnung einer gesetzlichen AZG-Flexibilisierung für berufspolitisch verantwortungslos.

4. Und zu guter Letzt: Dass sich der BaT für tariffähig hält, ist seine Meinung. Ob letztlich Gerichte dem BaT dann auch die Tariffähigkeit tatsächlich zuerkennen, ist alles andere als ausgemachte Sache. Die Mitgliederzahlen aus dem Bereich der Praxis lassen bislang doch daran zweifeln.

bpt