BfT fordert bewussten Umgang mit KI
Die diesjährige Frühjahrsveranstaltung des Bundesverbandes für Tiergesundheit e.V. (BfT), die am 16.05.2024 in Hannover stattfand, stand das Thema Künstliche Intelligenz (KI) im Mittelpunkt, denn KI ist ein Werkzeug mit viel Potential. Sorgfältig angewandt und mit Bewusstsein für die Grenzen der Technologie, bieten die Kapazitäten zur komplexen Datenanalyse große Chancen, insbesondere die Diagnostik und Prävention auch in der Tiermedizin entscheidend fortzuentwickeln. Dabei kann KI nicht nur im medizinischen Alltag bei der Entscheidungsfindung unterstützen. Die Festlegung und Anordnung der eigentlichen therapeutischen Maßnahme obliegt weiterhin dem Arzt, genauso wie die Entscheidung, ein Tierarzneimittel für den Markt zu entwickeln, nur durch den Unternehmer getroffen werden kann, heißt es in einer Pressemitteilung des BfT.
Unter dem Titel „Tiergesundheit: Mit KI zum nächsten Level“ stellten die fachkundigen Referenten in drei Impulsen die Künstliche Intelligenz und ihre Möglichkeiten im Leben der Menschen, in der pharmazeutischen Forschung sowie für die Anwendung in der Veterinärmedizin vor.
Professor Klaus Osterrieder, Präsident der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo), hob in seinem Grußwort die Bedeutung von KI für alle Bereiche der Tiermedizin hervor und verwies gleichzeitig auf die Notwendigkeit einer sorgfältigen Handhabung.
„Künstliche Intelligenz hat im Jahr 2022 dreimal mehr Arbeitsplätze geschaffen als sie übernehmen konnte“, betonte Patrick Ratheiser, CEO und Co-Founder von Leftshift One. Denn KI könne viele Aufgaben übernehmen und in Arbeitsprozessen unterstützen, aber nicht den menschlichen Verstand ersetzen. Dr. Narges Ahmidi, Expertin in KI-gesteuerter Gesundheitsfürsorge, sieht den Vorteil von KI vor allem darin, dass sie schneller lernt als menschliche Ärzte. Während ein Arzt durch die Fälle, denen er in seinem Berufsleben über die Jahre begegnet, zum Experten werde, lerne die KI weitaus schneller, so Ahmidi. „Mit KI kann der Zeitpunkt, zu dem der Arzt die finale Diagnose kennt, deutlich nach vorne verlagert werden.“ Diese ermöglicht große Fortschritte in der Früherkennung und eine spezifischere Behandlung von Krankheiten – weg von reaktiven hin zu präventiven Maßnahmen, sowohl im human-, als auch im tiermedizinischen Bereich.
Wie in der Humanmedizin unterstütze KI auch in der Veterinärmedizin, z.B. in der Mustererkennung und Erstellung optimierte Behandlungspläne sowie darin, den wirksamsten Therapieansatz zu finden, sagte Dr. Henning Müller vom Deutschen Zentrum für Künstliche Intelligenz, Osnabrück.
Fazit
In der anschließenden Podiumsdiskussion kamen die Teilnehmenden zu dem Schluss, dass die Lehre gefordert ist, künftige Tiermediziner, aber auch Agrarwissenschaftler und Landwirte auf einen bewussten Umgang mit diesem kraftvollen Werkzeug vorzubereiten. Gelernt werden muss, die Grenzen jeder Anwendung einordnen zu können und Ergebnisse zu hinterfragen. Eine große Herausforderung ist, relevante Daten in guter Qualität und Menge zu erhalten. Einschränkungen durch gesetzliche Vorgaben, z.B. durch den europäischen Data Act und AI-Act, sind ebenso zu berücksichtigen wie die Bedeutung der Ethik im Umgang mit KI. Der umfangreiche Datenpool, insbesondere in der Nutztierhaltung, bietet Chancen im Zusammenwirken der veterinärmedizinischen Praxis, dem öffentlichen Veterinärwesen und der Landwirtschaft, die Gesundheit der Tierbestände zu überwachen und weiter zu verbessern. Mit KI-gestützten Plattformen könne der Zugang zu aktuellen Forschungsergebnissen und Fallstudien ermöglicht werden und die stetige Fortbildung sowie der kontinuierliche Wissensaustausch gefördert werden.
Bei allem Potential und der Vielzahl von KI-Anwendungen liegt es in der Hand des jeweils Verantwortlichen, wie Wissenschaftler, Tierarzt oder Unternehmer, festzulegen, wie diese genutzt werden. Keine Scheu, sondern Offenheit und aktives Mitgestalten seien der Weg, um das Potential auch für die Veterinärmedizin nutzbar zu machen.
Auch der Dessauer-Zukunftskreis beschäftigt sich mit dem Thema Chancen und Risiken von KI in der Tierarztpraxis. Mehr dazu findet sich auf dem LinkedIn-Profil des DZK.
Panoptisches System soll Weidehaltung fördern
Die Weidetierhaltung fördert das Wohlbefinden der Tiere, ist Teil einer artgerechten Haltung und wird von den Verbraucher:innen gewünscht. Doch stellt sie für die Landwirt:innen einen zusätzlichen finanziellen wie zeitlichen Aufwand dar. Daher wird an der Entwicklung von Assistenzsystemen gearbeitet, die beides für den Landwirt verringern können. Ein Lösungsansatz ist die „panoptische Weide“, ein kostengünstiges und energiesparsames Kameranetzwerk, das Tiere und Weide überwacht. Dafür werden Kameras, Funktechnik und künstlicher Intelligenz verknüpft. Bilder bieten eine hohe Informationsdichte bei vergleichsweise geringen Kosten. Moderne Computer-Vision-Anwendungen ermöglichen es, Bilddaten effizient auszuwerten. Beispielsweise können Nutztiere erkannt und identifiziert werden.
Auch die Entfernung des Tieres kann von der Kamera berechnet werden, um seine Position auf der Weide zu ermitteln – und das ohne Sensoren am Tier. Stattdessen werden intelligente Pfosten genutzt. Diese werden entweder am Zaun oder in der Weide in entsprechend notwendiger Distanz positioniert und bauen untereinander ein eigenes Funknetzwerk auf, zum Beispiel über Wi-Fi oder LoRaWAN, und sind damit unabhängig von einer Internetverbindung. Mit der verwendeten Funktechnologie könnte sich in der Theorie eine Weide von 100 x 1.000 Metern mit nur 4 smarten Pfosten abdecken lassen. In der Praxis wäre etwa alle 200 Meter ein intelligenter Pfosten notwendig, da mit der Kamera eine ausreichende Sichtweite ermöglicht wird. Ein Alarmsystem warnt den Tierhalter per Smartphone, wenn ein Tier die Weide verlässt oder betritt. Das System könnte aber auch zur Kontrolle des Futteraufwuchses, für das Gesundheitsmonitoring beim Einzeltier, die Lokalisation und die Überwachung im Sinne des Herdenschutzes auf der Weide eingesetzt werden.
Topagrar
KI-Tools geben keine zuverlässigen medizinischen Ratschläge
Künstliche Intelligenz (KI) kann die medizinische Behandlung und Beratung durch Ärzt:innen nicht ersetzen. Zu diesem Schluss kamen Forschende der Cleveland Clinic Foundation. Andrei Brateanu und sein Team hatten 56 Fragen an OpenAIs GPT-4 und Gemini gerichtet. Beides sind multimodale Sprachmodelle, die Text aus Texteingaben und visuellen Eingaben generieren können. Lediglich 28,6 Prozent der Antworten von GPT-4 waren richtig, 28,6 Prozent ungenau und 42,8 Prozent teilweise richtig, aber unvollständig. Auch wenn das Sprachmodell Gemini deutlich besser abgeschnitten hat (53,6 Prozent der Antworten waren richtig, 17,8 Prozent ungenau und 28,6 Prozent teilweise richtig), ist der Anteil der falschen bzw. ungenauen Antworten zu hoch.
„Große Sprachmodelle bieten medizinische Informationen an, die logisch und überzeugend aussehen, auch wenn sie ungenau oder falsch sind. Daher hielten wir es für wichtig, die Antworten von LLMs mit den Daten anerkannter medizinischer Organisationen zu vergleichen. Dieser Vergleich trägt dazu bei, die Zuverlässigkeit der medizinischen Informationen zu überprüfen, indem sie mit vertrauenswürdigen Gesundheitsdaten abgeglichen werden”, erklärt Brateanu.
Den Grund für den hohen Anteil der falschen Antworten sehen die Forschenden in den mathematischen Algorithmen. Die Ergebnisse des Tests zeigen, wie wichtig es sei, bei medizinischen Infos aus KI-Quellen vorsichtig und kritisch zu sein, so Brateanu. Er empfiehlt jedoch dringend, KI-Tools zu entwickeln, die zuverlässige medizinische Ratschläge geben können.
Pressetext
KI-gestützte Impfung zur Rettung des Tasmanischen Teufels
Der Beutelteufel (Sarcophilus harrisii) ist ein Raubbeutler, der bis auf wenige Exemplare ausschließlich auf Tasmanien, einem vom Festland getrennter Bundesstaat Australiens, beheimatet ist. Das auch als Tasmanische Teufel bekannte Tier gilt als Stabilisator des australischen Ökosystems. Denn die Tiere regulieren die Population der aus Europa eingeschleppten Katzen, die eine massive Bedrohung für einheimische Tiere darstellen. Da die Raubtiere auch kranke und tote Tiere fressen, haben die Beutelteufel eine wichtige Funktion als eine Art Buschreiniger. „Die Tasmanischen Teufel sind in der Lage, einen ganzen Tierkadaver zu fressen, einschließlich aller Knochen. Das Fleisch, das Fell, alles“, begeistert sich John Hamilton vom Tasmanian Devil Unzoo.
Seit im Jahr 1996 erstmals eine unheilbare Krebserkrankung bei den Beuteltieren diagnostiziert wurde, sind Zehntausende Tiere an der Krankheit gestorben. Die Übertragung des tödlichen Krebs findet meist bei wilden Paarungskämpfen statt, bei denen sich die Tiere gegenseitig ins Gesicht beißen. Als Folge schwillt das Gesicht des betroffenen Tieres an und dieses stirbt innerhalb weniger Monate, weil die Nahrungsaufnahme stark erschwert ist.
Mit einer KI-gestützten Impfung soll den ca. 10.000-25.000 verbliebenen Tieren in Tasmanien nun geholfen werden. Professor Andrew Flies von der örtlichen Universität arbeitet aktuell an einem passenden Impfstoff. Dieser ist angelehnt an einen Vektorimpfstoff, ähnlich dem Covid-Imfpstoff von AstraZeneca, und soll das Immunsystem der Teufel stärken, um sie so besser vor dem Krebs zu schützen.
„Der Plan ist, den Impfstoff in einem essbaren Köder zu verstecken. In etwas das gut riecht, das sie gerne essen”, erklärt Flies. Künstliche Intelligenz (KI) soll verhindern, dass andere Tiere die Köder fressen. Dazu wird ein Foto von jedem Tier gemacht, das vor dem Futterspender steht. Erkennt die KI einen Teufel, wird maximal alle 40 Minuten ein mit dem Impfstoff versehener Köder ausgegeben. „Damit nicht der gleiche Teufel davor sitzen bleiben kann und zehn Köder hintereinander futtert”, so der Wissenschaftler. Jedoch wurde der Impfstoff bislang noch nicht an lebenden Tieren getestet, sondern nur an Zellen im Labor. Schon im Spätsommer 2024 jedoch sollen die ersten Köder verteilt werden. Die Wissenschaftler hoffen, dass der Impfstoff nicht nur vor einer Infektion schützt, sondern auch zur Behandlung des Krebses eingesetzt werden kann.
Tagesschau
Geriatrie im Fokus der bpt-INTENSIV
Vom 29. Februar bis 3. März 2024 findet in der Stadthalle Bielefeld die nächste bpt-INTENSIV Fortbildung statt. Dieses Jahr dreht sich alles um die Geriatrie. Denn auch die tierischen Patienten werden immer älter, was Multimorbiditäten, einen veränderten Stoffwechsel und unklare Symptomatiken mit sich bringt. Die Kongressbesucher:innen erwartet ein breitgefächertes Programm mit Vorträgen, Fallbeispielen und Seminaren zum Thema Geriatrie, u.a. Fortbildungen zu Anästhesie, Palliativbetreuung und Pharmakotherapie.
Außerdem lädt die MSD Tiergesundheit interessierte Tierärzt:innen am Freitag, 1.3.2024 um 13 Uhr, zum Lunch & Learn ein. Zunächst wird Dr. Michael Leschnik im Rahmen der Reihe Expertise Kompakt-Parasiten zum Thema „Aus der Zukunft lernen – Was Sie heute schon wissen müssen“ referieren, bevor Kilian Hütt (MSD) die neueste Innovation, die BRAVECTO® Injektion“, Live vorstellt. Für die Teilnahme am Lunch & Learn erhalten Sie eine zusätzliche ATF-Stunde. Eine Anmeldung ist nicht notwendig. Am Samstag, 2.3.2024, werden sich dann Björn Becker und Julia Nitsche in ihrem Vortrag mit dem Thema Künstliche Intelligenz als mögliche Lösung für die Personalmisere in der Tiermedizin befassen.
Ganz frisch im Programm des bpt-INTENSIV ist zudem die Fortbildung für Ausbildungspraxen. Die Beschäftigung mit dem Thema Praktika für Studierende ist aktuell lohnenswert, denn leichter können Arbeitgeber:innen potentielle Arbeitnehmende nicht treffen und von sich überzeugen.
Ein Besuch in Bielefeld lohnt sich also definitiv.
bpt
Künstliche Intelligenz für die Kommunikation mit Tieren
Immer mehr Haustiere leben in deutschen Haushalten. Neben einem guten Leben mit dem geliebten Vierbeiner wünschen sich viele Halter:innen eine bessere Verständigung. Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) könnte dieser Wunsch schon bald zur Realität werden.
Der Mathematiker und KI-Experte Felix Effenberger zielt mit seinem internationalen Forschungsprojekt darauf ab, die Sprache der Tiere zu entschlüsseln. „Das Ziel unserer Untersuchung ist, herauszufinden, zu welchem Grad Tiere eine Sprache haben, die den Aspekten der menschlichen Sprache entsprechen und über was sie sich dann damit austauschen“, erklärt Effenberger. Zunächst jedoch müsse die KI Muster erkennen und reproduzieren. Diese seien nicht nur in menschlicher Sprache vorhanden, sondern auch in Vogelgezwitscher, Delfingeräuschen oder Hundegebell, so der Experte. Doch Effenberger will Tiere nicht nur verstehen, sondern irgendwann auch mit ihnen reden können. Deshalb entwickelt er mit seinem Team gerade einen KI-Chatbot für Zebrafinken, eine Art ChatGPT für Vögel.
„Wir wissen nicht, was wir rausfinden werden, ob die Tiere Interesse haben, mit solchen Modellen in Kontakt zu treten oder nicht. Ob sie einen tierischen oder den Computerpartner bevorzugen in ihrer Kommunikation. Insbesondere sind wir dann in einer ein bisschen grotesken Situation, wenn wir vielleicht ein Modell haben, das mit einem anderen Zebrafinken in einen Dialog tritt, aber wir werden trotzdem nicht sofort wissen, über was sie reden“, beschreibt der Forscher mögliche Schwierigkeiten. Eine weitere Hürde ist die häufig nonverbal durchgeführte Kommunikation von Tieren. Häufig verständigen sie sich über akustische, chemische und visuelle sowie elektrische Signale. Auch Bewegungen können Teil der tierischen Sprache sein, wie beispielsweise die Tanzsprache der Honigbienen.
So stehen neben dem mühsamen Datensammeln von Tierlauten auch das langwierige Katalogisieren von Bewegungsmustern oder Duftmarken auf dem Plan der internationalen Forschenden. Auch wenn es vielleicht nicht zu der erwarteten Kommunkation zwischen Mensch und Tier kommen wird, könnte die Entschlüsselung von Tierkommunikation mithilfe von KI dennoch Positives bewirken. „So wie die Erfindung des Teleskops den Menschen klargemacht hat, dass die Erde nicht das Zentrum des Universums ist, hoffen wir, dass das bessere Verständnis von Tierkommunikation mithilfe von KI die Menschen erkennen lässt, dass wir auch nicht das Zentrum der Biosphäre auf der Erde sind“, lautet Effenbergers Fazit.
SWR
Neues Doktoratskolleg mit Fokus auf digitalen Technologien
Der Startschuss des interdisziplinär gestalteten Doktorandenprogramms „PLFDoc – Precision Livestock Farming“ ist am 7. Dezember 2023 an der Vetmeduni Wien gefallen. Das neue Doktoratskolleg, eine Kooperation der Vetmeduni mit der TU Wien und der FH Oberösterreich, hat das Ziel, das Tierwohl, die Tiergesundheit und das Management landwirtschaftlicher Nutztiere mit Hilfe von modernsten digitalen Technologien zu verbessern. Der Fokus liegt dabei auf Methoden der Erklärbaren Künstlichen Intelligenz sowie der Anwendung von Bild- und Videoanalysen. Die Doktorand:innen des Programms wollen im Rahmen der anwendungsorientierten Grundlagenforschung Lösungen zum Geburtsmonitoring bei Rind und Schwein für eine nachhaltigere Nutztierhaltung entwickeln. Die offizielle Kick-Off-Veranstaltung am 07. Dezember 2023 bot einen kompakten Überblick über die Inhalte des PLFDoc-Programms.
Vetmeduni Wien
KI als wertvolle Ergänzung von Fachkräften in der Tierhaltung
Künstliche Intelligenz (KI) gewinnt auch in der Nutztierhaltung immer mehr an Bedeutung, so dass KI-gesteuerte Kontrollsysteme in Zukunft eine noch größere Rolle einnehmen werden, wie Dr. Marc-Alexander Lieboldt erklärt. Diese wird jedoch Fachkräfte nicht ersetzen können. Der Leiter des Fachbereichs Tierzucht, Tierhaltung und Versuchswesen bei der Landwirtschaftskammer (LWK) Niedersachsen hat in einer mehrmonatigen Versuchsreihe zahlreiche Untersuchungen zu den Einsatzmöglichkeiten von KI in Schweinehaltungen durchgeführt. „KI kann die personengestützte Beobachtung kontaktlos und fortlaufend ergänzen, aber nicht ersetzen und nicht von der gesetzlichen Pflicht zur täglichen Tierkontrolle entbinden“, lautet Lieboldts Fazit.
Nach Ansicht des Veterinärs können die Bewegungsabläufe von Schweinen mit Hilfe von kamerabasiertem Monitoring zu jeder Zeit erfasst werden, was den Vorteil hat, dass Krankheiten oder Auffälligkeiten im Verhalten schneller erkennbar sind. Zudem eignet sich die KI zur Steigerung von Arbeitseffizienz im Stall, der Nachhaltigkeit im Sinne der Ressourcen-Schonung sowie des Tierwohls. Lieboldt weist aber auch auf die Risiken hin, die der Einsatz von KI mit sich bringen kann: „Dabei geht es um den EU-weiten Rechtsrahmen für KI-Anwendungen, IT-Sicherheit, die Dateninfrastruktur ländlicher Räume und den Ort der Datenauswertung“, erklärt der Fachmann. „KI wird mit Investitionskosten verbunden sein, deshalb empfehle ich den Einsatz nur in sinnvollen und erprobten Bereichen.“
Wie Lieboldt erklärt, müsse dringend die Kompatibilität unterschiedlicher Systeme verschiedener Hersteller nachgebessert werden, damit auch die praktische KI-Anwendung reibungslos funktionieren kann. Denn diese Anwendungen entwickeln sich rasant weiter, genau wie die entsprechende Software. „Das setzt bei der Betriebsleitung ein gewisses technisches Grundverständnis voraus und sollte durch benutzerfreundliche Oberflächen keine tiefergehenden Kenntnisse in der Informatik verlangen“, sagt Lieboldt abschließend.
Landvolk Niedersachsen
Biodiversität in Tropenwäldern mit KI messen
Neben ihrer großen Bedeutung für den globalen Kohlenstoffkreislauf und das Weltklima, sind tropische Wälder durch eine extrem hohe Vielfalt an Pflanzen- und Tierarten gekennzeichnet. Durch die massive Abholzung sowie den Raubbau nimmt diese Biodiversität jedoch stetig ab und die Bedeutung von Wiederbewaldungsflächen nimmt zu. Für die Einschätzung der Entwicklung der Artenvielfalt auf solchen Flächen könnte der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) unterstützend wirken.
Einer Forschergruppe unter Leitung der Würzburger Julius-Maximilians-Universität (JMU) ist es gelungen, anhand von Tonaufnahmen und KI-Modellen die Biodiversität auf tropischen Wiederbewaldungsflächen zu messen. Dazu haben die Wissenschaftler:innen im Norden Ecuadors auf aufgelassenen Weiden und früheren Kakaoplantagen mit Hilfe von autonomen Soundrecordern und KI-Modellen die Zusammensetzung der Artengemeinschaften von Vögeln, Amphibien und Säugetieren untersucht.
„Die Forschungsergebnisse zeigen, dass die Sounddaten ganz exzellent die Rückkehr der Biodiversität in den aufgelassenen Landwirtschaftsflächen widerspiegeln“, erklärt Prof. Jörg Müller von der Ökologischen Station Fabrikschleichach der JMU, der zusammen mit Oliver Mitesser die Studie geleitet haben. Die Forschenden fanden heraus, dass die Tierlaute der Artengemeinschaften die Wiederbesiedlung sehr gut abbilden – denn diese Gemeinschaften sind im Wald ganz charakteristisch zusammengesetzt und unterscheiden sich deutlich von denen auf noch aktiven Agrarflächen.
Ein Set von 70 KI-Vogelmodellen war in der Lage, die gesamten Artengemeinschaften von Vögeln, Amphibien und einigen rufenden Säugetieren zu beschreiben. Selbst die Veränderungen bei Nachtinsekten konnten damit sinnvoll korreliert werden. Geplant sei nun, die verwendeten KI-Modelle weiter zu verbessern und das Set an Modellen zu erweitern, um noch viel mehr Arten automatisch erfassen zu können, so Müller. „Unsere KI-Modelle können die Basis für ein sehr universelles Instrument zur Überwachung der Biodiversität in Wiederbewaldungsflächen sein“, sagt der Wissenschaftler abschließend.
JMU
Österreich unterstützt Landwirt:innen bei der Digitalisierung
Die Digitalisierung schreitet weltweit voran und hat inzwischen alle Bereiche der Landwirtschaft erreicht. So gewinnt auch Künstliche Intelligenz (KI) in der Tierhaltung und dem Pflanzenbau immer mehr an Bedeutung. „Ein wesentlicher Teil der Verwaltung, Buchhaltung und Förderantragstellung findet auf den meisten Höfen bereits digital statt. Nun müssen wir ein Umfeld schaffen, damit die Digitalisierung und die damit einhergehenden größeren Veränderungen, bei der täglichen Arbeit im Stall und auf den Feldern, erfolgreich umgesetzt werden kann. Wir müssen Digitalisierung in der Landwirtschaft aktiv aufzugreifen und vorantreiben, um die Chancen auch für die kleinstrukturierte österreichische Landwirtschaft zu mobilisieren”, erklärte der österreichische Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig bei der Vorstellung des Projekts AgrifoodTEF, einem Netzwerk von Testzentren in Europa.
Hier werden Unternehmen & Start-ups aus dem Agrar- und Lebensmittelproduktionssektor bei der Produktentwicklung von KI- und Robotik-Lösungen unterstützt. Um eine gute digitale Infrastruktur als Basis für den Ausbau der Digitalisierung zu schaffen, unterstützt Österreich mit der ‘Innovation Farm – Farming for Future’ Landwirt:innen bei der mobilen und stationären Breitbandversorgung, wie Digitalisierungsstaatssekretär Florian Tursky betonte. Betriebe können einen entsprechenden Antrag stellen und bis zu 50.000 Euro für den Breitbandausbau erhalten. Ziel sei es, dass alle landwirtschaftlichen Betriebe bis 2030 mit einem Breitbandanschluss fürs Internet ausgestattet werden sollen, so Tursky.
Topagrar
Vetion-Fokusthema: Digitalisierung von Veterinärmedizin und Landwirtschaft
KI als Chance für das Gesundheitswesen
Von 2015 bis 2023 war Tierarzt Prof. Lothar H. Wieler Präsident des Robert Koch-Instituts. Nach seinem Ausscheiden trat der 61-Jährige im April 2023 seine neue Stelle als Sprecher des Digital Health Clusters und Leiter des Fachgebiets Digital Global Public Health am Hasso-Plattner-Institut (HPI) in Potsdam an. In seiner ersten Vorlesung sprach Wieler vor Familie, Freunden und Weggefährten sowie Studierenden und Professor:innen über Global Public Health, die Last der übertragbaren und nicht übertragbaren Krankheiten in der Welt und die Notwendigkeit der Vorbeugung. Denn viele Todesfälle ließen sich mit mehr Prävention verhindern, so Wieler. So wird der Fachtierarzt für Mikrobiologie sich in seiner Forschungsarbeit auch verstärkt der Bekämpfung von antimikrobiellen Resistenzen (AMR) widmen, die nach Einschätzung der WHO eine der größten, globalen Bedrohungen für die öffentliche Gesundheit ist.
Die neuen Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) betrachtet Wieler als Chancen für das Gesundheitswesen. Jedoch befürchtet er, dass KI-Anwendungen in der Medizin bestehende Diskriminierungen erlernen und verstärken können. „Wir können die KI nicht stoppen. Es macht doch viel mehr Sinn, diese Entwicklung in eine richtige Bahn zu lenken, und dass wir wirklich dafür Sorge tragen, dass die Anwendungen sinnhaft sind und den Menschen dienen”, mahnte Wieler auch in einem Gespräch mit HPI-Chefredakteur Leon Stebe. „Hier brauchen wir mehr Regeln.“ Auch befürchtet er, dass die Ungleichheit zwischen dem globalen Norden und den südlichen Ländern durch die Digitalisierung noch größer werde. Das komplette Interview mit dem HPI-Professor kann in der aktuellen Folge des HPI-Wissenspodcasts “Neuland” mit dem Titel: “Die Zukunft von Digital Global Public Health” nachgehört werden.
HPI
Vetion-Fokusthema: Digitalisierung von Veterinärmedizin und Landwirtschaft