Am 22.01.2015 hatte das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) zu dem Forum „Herausforderung Antibiotikaresistenzen - eine ganzheitliche Betrachtung und neueste Erkenntnisse zur Risikowahrnehmung“ Medienvertreter, Verbände, Meinungsbildner, Wissenschaftler und andere Interessierte auf das Berliner Messegelände eingeladen. Ziel der Veranstalter war es, erneut auf die Bedeutung der zunehmenden Bedrohung durch Antibiotikaresistenzen für die öffentliche Gesundheit hinzuweisen und weit verbreiteten Meinungen über die Ursprünge und die Verbreitung von Resistenzen entgegenzutreten. Wie eine repräsentative Befragung von rund 1.000 Verbraucherinnen und Verbrauchern ergab, sind mehr als 50% der Befragten der Meinung, dass Antibiotikaresistenzen aus der Tierhaltung stammen. In Wahrheit kann jedoch gerade mal bei etwa 2,5% der multiresistenten MRSA-Keimen ein tierischer Ursprung nachgewiesen werden. Stattdessen handelt es sich bei 97,5% der MRSA um so genannte Krankenhauskeime, also Resistenzen, die auf einen humanen Ursprung zurückzuführen sind und nicht selten in Krankenhäusern übertragen werden. Dennoch ist die konventionelle Tierhaltung in den Fokus der Medien geraten, obgleich die Berichterstattung und die aufgeführten „Fakten“ nicht selten zu wünschen übrig lassen.
Stellt man sich vor, dass jeder Mensch etwa 1,5kg Bakterien auf seiner Haut, den Schleimhäuten und im Darm beherbergt (1012) und dass immer mehr dieser Bakterien Resistenzmechanismen gegen gängige und auch weniger gängige Antibiotika entwickeln, kann man ein Gefühl für die Bedrohung entwickeln, die sich daraus für Mensch und Tier ergibt.
Die Bedeutung der Antibiotikaresistenzen, die in den Tierställen auftreten, für die Resistenzen, die in der Humanmedizin auftreten, ist je nach Keim und Resistenz unterschiedlich zu werten. Beispielsweise spielen Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) aus der Nutztierpopulation eine eher untergeordnete Rolle als Erreger schwer behandelbarer Infektionen beim Menschen. Es sind v.a. Menschen mit Nutztierkontakt mit deren MRSA besiedelt. Generell werden MRSA-Keime vor allem bei Wundinfektionen, Lungenentzündung und Knocheninfektionen zum Problem.
Größer als bei MRSA ist vermutlich das von Human- und Veterinärmedizin geteilte Resistenzproblem durch ESBL-bildende Bakterien, da sich diese Resistenzen nicht nur klonal sondern auch durch die Weitergabe von Antibiotikaresistenzgenen zwischen Bakterien auch unterschiedlicher Artenverbreiten. Darüber hinaus können Enterobakterien auch über Lebensmittel übertragen werden. ESBL steht für "extended-spectrum ß-lactamase", was auf Deutsch übersetzt "Beta-Laktamase mit erweitertem Spektrum" bedeutet. Meist handelt es sich dabei um Enterobakterien (ESBL-E), die ebenfalls bei Wundinfektionen, Harnwegsinfekte und Lungenentzündungen zum Problem werden können.
Insgesamt wird das Vorkommen von MRSA-Keimen in der Bevölkerung auf 1,5% und die rektale Besiedlung mit ESBL-Keimen auf 4-7% geschätzt. Bei Nutztier-exponierten Berufsgruppen sieht die Verteilung von MRSA&ESBL?bildenden Enterobakterien wie folgt aus (s. Graphik 1 rechts.
Aktuell erforscht wird, wie groß der Beitrag aus der Tierhaltung zur Resistenzproblematik in der Humanmedizin ist.
Ziel muss es daher sein, den Antibiotikaeinsatz sowohl in der Klinik und der Allgemeinbevölkerung als auch in der Tierhaltung auf das therapeutisch unbedingt notwendige Maß zu beschränken. In der 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes ist folgende Maßnahme zur Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes bei Nutztieren festgelegt (s. Graphik 2 rechts):
Fest steht auch, dass insbesondere Geflügelfleischvermehrt auch resistente Keime aufweist. Daraus erklärt sich auch die ausnehmend große Bedeutung einer verantwortungsbewussten Küchenhygiene, da Lebensmittel im In- und Ausland eine bedeutende Eintragsquelle darstellen. In diesem Zusammenhang seien auch importierte Resistenzkeime erwähnt, die immerhin von ca. einem Drittel der Fernreisenden aus Indien oder Südostasien bei der Heimreise als Besiedler der Haut und des Darmes importiert werden. Neben den genannten Fernreisenden sind jedoch in Bezug auf resistente Keime tierischen Ursprungs vor allem Landwirte, Schlachter, Fleischer, Tierärzte und Tierpfleger nachweislich mehr mit resistenten Keimen besiedelt, als andere Bevölkerungsgruppen.
Das BfR begrüßt das Antibiotika-Minimierungskonzept in der Tierhaltung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und empfiehlt die Anwendung von Antibiotika, insbesondere von Antibiotika mit besonderer Bedeutung für die Humanmedizin, in der Tierproduktion kritisch zu hinterfragen. Haltung und Management der Tierbestände sollten so verbessert werden, dass die Tiere gesund bleiben und eine Behandlung mit Antibiotika nicht erforderlich ist. Die Methoden der Schlachtung sollten so weiterentwickelt werden, dass die Übertragung von Keimen von Tieren auf Lebensmittel verringert wird. Verbrauchern empfiehlt das BfR, Fleisch nur gut durcherhitzt zu verzehren und durch Beachtung der Regeln der Küchenhygiene eine Übertragung von Keimen auf andere Lebensmittel zu verhindern. Das BfR hat zum Thema Küchenhygiene einen zweiminütigen Film unter dem Titel „Was tun mit dem Huhn?“ veröffentlicht.
Professor Dr. Dr. Andreas Hensel, Präsident des BfR, betonte bereits in seiner Eröffnungsrede, was er abschließend als Fazit der Veranstaltung eindringlichst wiederholte: „Antibiotikaresistenzen betreffen aber die Humanmedizin ebenso wie die Tiermedizin und die Landwirtschaft. Die Herausforderungen können nur gemeinsam gelöst werden!“
Weitere Thematiken, auf die die Experten auf dem BfR-Forum in ihren Kurzvorträgen eingingen, waren die Verbreitung und die Übertragungspfade sowie Ein- und Austragswege und ihreBedeutung. Diese sind nachfolgend noch grafisch dargestellt.