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Nachwuchssorgen und ein voll verkabeltes Pferd

Auf der Eröffnungspressekonferenz wurden die 
Schwerpunkte des 9. Leipziger Tierärztekongresses 
vorgestellt.
Auf der Eröffnungspressekonferenz wurden die Schwerpunkte des 9. Leipziger Tierärztekongresses vorgestellt.


„490 Referenten – das sind mehr Referenten in diesem Jahr als Teilnehmer im ersten Jahr des Kongresses 1998“, sagt Kongresspräsident Prof. Gotthold Gäbel, auf der Eröffnungspressekonferenz, die am 17.1., einen Tag vor Beginn des dreitägigen Leipziger Tierärztekongresses auf dem Gelände der Veterinärmedizinischen Fakultät Leipzig (VMF) stattfand.

Der Leipziger Tierärztekongress wird alle zwei Jahre von den ostdeutschen Landestierärztekammern, der VMF und der Leipziger Messe organisiert und wird vom 18.-20. Januar 2018 im Congress Center der Leipziger Messe abgehalten. Auch dieser 9. Kongress setzt den steilen Aufwärtstrend der letzten Jahre fort: Mehr Besucher, mehr Aussteller, mehr Inhalt. Schon vor Start des Kongresses ist klar: Die Rekordzahl von 5.000 Teilnehmern wie in 2016 wird auch in diesem Jahr geknackt, der erste Kongresstag ist seit einem Monat ausgebucht. Zudem gibt es auf der angeschlossenen Industriemesse Vetexpo von 241 Ausstellern 60 Neulinge, 2016 waren es noch 210 Aussteller. Die Standplätze waren bereits im Dezember restlos vergeben, sagt Martin Buhl-Wagner, Geschäftsführer der Leipziger Messe, der die gute Zusammenarbeit der ostdeutschen Landestierärztekammern als einen Garant für den Erfolg sieht. Teilweise laufen 17 Vortragsblöcke gleichzeitig von Schwein bis Fleisch und Tierschutz bis Standesrecht. Stellt sich die Frage, wie es 2020 zum nächsten Kongress weitergehen soll. Sind die Kapazitäten ausgeschöpft?

Gäbel, der auch das Veterinärphysiologische Institut an der VMF leitet, sagt, der Wunsch nach Wachstum bestehe weiterhin und es gibt bereits „Pläne“ dafür, wie das realisiert werde könne. Solange die Gespräche aber noch laufen, wolle er diese nicht offenlegen. Martin Buhl-Wagner sagt, dass eine Vergrößerung „konzeptionell zu realisieren“ sei, gibt aber zu bedenken, dass „die schönsten Partys doch in der Küche stattfinden“.

Berufspolitische Podiumsdiskussion "Tiermedizinischer Nachwuchs: Lust, Frust, Perspektiven"

So wie der Zuspruch der Tierärzte am Leipziger Tierärztekongress wächst, so sinkt er gegenüber einer Tätigkeit als Praktiker. Am schwierigsten sei die Suche nach Anfangsassistenten und da vor allem in der Nutztierpraxis. „Wir befinden uns in einer Abwärtsspirale“, sagt Jan Wolter, Vizepräsident der Berliner Tierärztekammer, die in diesem Jahr die Schirmherrschaft inne hat, „die Zufriedenheit mit einem Beruf hängt immer auch mit dem Verdienst zusammen – und der ist bei uns unterirdisch.“

 „3.500 bis 4.000 Euro sind die Wünsche für ein Anfangsgehalt – wovon soll ich das bezahlen?“, sagt Fischspezialist Wolter. Er beschäftigt derzeit einen Kollegen in halber Stelle, eigentlich sollten es schon längst zwei volle sein, „aber ich finde niemanden.“ Das Problem sieht er aber nicht nur beim Arbeitgeber oder Arbeitnehmer sondern auch beim Tierhalter, der nicht bereit sei, mehr für tierärztliche Leistungen zu bezahlen. „Es brennt – und das bundesweit“, sagt er. Deshalb befasst sich nicht nur die Auftaktveranstaltung am Donnerstag mit „Lust, Frust, Perspektiven“ sondern auch die anschließende, traditionell berufspolitische Podiumsdiskussion, die von der Berliner Kammer ausgestaltet wird.

Aus aktuellem Anlass wurde der Schwerpunkt des Vortragsblockes „Tierseuchen“ am Freitag von Geflügelpest auf Afrikanische Schweinepest umgelegt. Prof. Uwe Truyen, Direktor des Institutes für Tierhygiene und Öffentliches Veterinärwesen der VMF, hebt die große Bedeutung, die die „exotische Seuche“ für die Deutsche Schweinewirtschaft haben könnte, hervor: „Wann immer die ASP in einem Land ausgebrochen ist, brach dort der Export von Schweinen und Schweinefleischprodukten zusammen.“

Er sagt, dass im Seuchenfall eine Bekämpfungsstrategie, wie sie derzeit in Tschechien gefahren wird, nicht abwegig sei. Das bedeutet die Errichtung eines umzäunten Sperrbezirks um jedes gefallene, infizierte Wildschwein und eine Pufferzone, in der verstärkt bejagt wird. Um bis zu 70 Prozent würde sich in diesem Areal die Wildschweinepopulation verringern. Diese Aussage gab nicht nur jüngst dem Deutschen Tierschutzbund Grund zum Aufschrei, sondern auch zur Pressekonferenz.

Neben Schweinen sind Pferde auf dem Kongress unter anderem ein großes Thema: Die „10th International Conference of Equine Reproductive Medicine“ und die „Partner Pferd“ werden am kommenden Wochenende ebenfalls auf der Neuen Messe abgehalten.

Leipziger Forschungsprojekt "HorseVetMed"

Ein aktuelles Pferdeprojekt der Leipziger VMF wurde im Anschluss an die Pressekonferenz vorgestellt: „HorseVetMed“, ein seit 2016 laufendes Forschungsprojekt zur Entwicklung eines innovativen Sensorsystems für die Tierdiagnostik. Dieses wurde in enger Zusammenarbeit zwischen dem Veterinär- Anatomischen Institut und der Chirurgischen Tierklinik Leipzig wissenschaftlich umgesetzt. Die Partner aus der freien Wirtschaft lieferten das nötige technische Knowhow.

Zunächst am Pferd erprobt sollen Sensoren für Körpertemperatur, EKG, EMG, Druck- und Beschleunigungsmessung zusammengeführt in einer Schnittstelle am PC in Zukunft dem Praktiker, Tiertrainer und sogar Tierhalter objektive Hilfestellungen etwa bei der Lahmheitsdiagnostik geben. „Bisher gibt es viele Einzelsysteme, aber solch eine gemeinsame Lösung noch nicht“, sagt Michael Geiger, vormaliger Projektkoordinator. Er gibt den Ausblick: „In Zukunft soll das System auch auf Nutztiere ausgeweitet werden.“ (Auf dem oberen Bild zusehen: Marie-Luise Huhn von der Chirurgischen Tierklinik Leipzig führt an Klinikpferd Lupus das neuartige Sensorsystem aus dem Projekt "HorseVetMed" vor.)

Übrigens: Wir berichten live von der Messe! Folgt uns einfach auf Twitter unter dem Hashtag #9LTK.

 

 

Links / Literatur

Sophia Neukirchner
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