
Mutter dreier Kinder zu sein, ein
Forschungsinstitut bei Hannover leiten, nach Wien
zur Professur pendeln - und dabei den Schlaf nicht
vernachlässigen, das sei nicht einfach, aber
machbar, sagt Prof. Isabel Hennig-Pauka.

Prof. Isabel Hennig-Pauka kann die Berufsfelder
(Schweine-)Praxis und Forschung gut vergleichen,
da sie in beidem schon gearbeitet hat.
Als Professorin und Mutter dreier Kinder fühlt sich die 47-jährige Isabel Hennig-Pauka oft hin- und hergerissen. Wie sich beides dennoch vereinen lässt, erzählt sie im Interview mit der Veterinärmedizinstudentin Sophia Neukirchner.
Auf dem Seminar „Tierärzte in der Forschung“ (30.3 bis 2.4.17 in Hannover) sprach Prof. Dr. Isabel Hennig-Pauka zum Thema „Akademiker – eine kinderlose Gesellschaftsgruppe“. Sie ist Leiterin der Außenstelle für Epidemiologie der Tierärztlichen Hochschule Hannover in Bakum und auch Professorin an der Klinik für Schweine an der Vetmeduni in Wien. Außerdem hat die 47- Jährige drei Kinder im Alter von 11 bis 16 Jahren. Sie kann jedoch verstehen, warum junge Frauen nach dem Studium Bedenken haben, Kinder zu bekommen, etwa wegen der Mobilitätseinschränkung. Hennig-Pauka war der Familie wegen dankbar, dass sie Ihren Berufsweg hauptsächlich in Hannover bestreiten konnte, wäre ohne Kinder jedoch auch gern ins Ausland gegangen. Sie findet dennoch, dass gerade die Forschung Vorteile für Mütter bietet und gibt Tipps, wie Kinder bei der Bewerbung nicht zum Nachteil werden.
Vetion.de: Sind Akademiker eine
kinderlose Gesellschaftsgruppe?
Prof. Hennig-Pauka: Die Statistiken, die ich
gefunden habe, sagen aus, dass Akademikerinnen
tatsächlich weniger Kinder haben. Aber
insgesamt sind sie nicht kinderlos.
Was glauben Sie, sind die Gründe von
Akademikern, sich gegen Kinder zu entscheiden?
Die Entscheidung für Kinder
wird später getroffen. Ein Grund kann sein,
dass es dann einfach nicht mehr klappt mit der
Familienplanung, da kenne ich auch Beispiele.
Man ist vorher so absorbiert von seinem
wissenschaftlichen Projekt – was ja sehr
faszinierend ist und auch Spaß macht –, dass
man den richtigen Zeitpunkt einfach verpasst.
Hat man sich dann für Familie und Kinder
entschieden, ist es oft schwierig, sich in dem
Spagat zwischen Karriere und Familie zurecht zu
finden. Von beiden Seiten, also sowohl von den
Kindern als auch von den Kollegen, bekommt man
zu hören: „Du bist ja nie da“. Und irgendwann
fragt man sich: „Ja, aber wo bin ich denn
eigentlich?“ Je nach Persönlichkeit kann das
Gefühl aufkommen, dass man nichts ganz richtig
macht. So ist es immer die Frage, wie
kompromissbereit man ist; ob man in so einer
Grauzone leben kann oder ob man es eben nicht
kann.
Sie waren nach dem Studium als
Praktikerin in der Schweinepraxis tätig und
widmen sich nun ganz der Forschung und Lehre.
Gibt es ein Berufsfeld für Tierärzte, das
besonders kinderfeindlich ist?
Alles, was mit nicht planbaren Zeiten zu tun
hat, ist nicht besonders kinderfreundlich.
Letztendlich würde ich nicht sagen, dass ein
Bereich besser oder schlechter zu organisieren
ist mit Kindern. Was ich sehr praktisch finde,
ist, wenn man sich die Zeit selbst einteilen
kann – so wie das bei mir und meinen
Forschungsprojekten der Fall war. Auf der
anderen Seite passiert es auch, dass die
Gesundheit unter der freien Zeiteinteilung
leidet, weil man häufig die Nacht dazu nimmt
und zwangsläufig sich selbst immer
hintenanstellt. Man will ja der Familie gerecht
werden, hat aber auch den Zeitdruck, Ergebnisse
zu produzieren.
Ihre drei Kinder haben Sie bekommen,
als Sie hauptsächlich in der Forschung tätig
waren. Was war in diesem Tätigkeitsbereich
vorteilhaft für die Familienplanung?
Die freie Zeiteinteilung ist definitiv
ein Vorteil – und die Tatsache, dass man viel
schreiben muss. Denn schreiben kann man auch
von zuhause. In manchen Phasen ist es ein
Vorteil, dass andere Personen nicht abhängig
von einem sind. So leidet keiner darunter, dass
man nicht dauernd verfügbar ist oder nicht für
Bereitschaftsdienste zur Verfügung steht – wie
es in der Praxis der Fall wäre. Man ist oft
überwiegend für sich selbst und seine
Ergebnisse verantwortlich.
War es bei Ihnen eine bewusste
Entscheidung, an den jeweiligen Punkten in
Ihrem Leben Kinder zu bekommen?
Die Entscheidung zum ersten Kind war ein
zufälliger Einschnitt. Ich hatte einen Befund
vom Arzt, der mich ins Nachdenken gebracht hat:
Die Aussicht, gar keine Kinder bekommen zu
können, war für mich nicht besonders positiv.
Dadurch habe ich gemerkt, dass es mir doch
wichtig ist, irgendwann Kinder zu bekommen. Das
war mir vorher nicht so klar gewesen, da hatte
ich immer nur weiter gearbeitet. Die Arbeit
macht ja auch Spaß, man vermisst nicht
unbedingt etwas. Irgendwann später will man
vielleicht mal eine Familie gründen, aber das
steht lange Zeit nicht so im Vordergrund.
Wenn man die Entscheidung bewusst
treffen möchte: Wann ist der richtige
Zeitpunkt? Im Studium, direkt nach dem Studium,
nach der Doktorarbeit?
Ich
glaube inzwischen, jeder Zeitpunkt ist so gut
wie der andere. Wir haben früher im Studium oft
auf die Kommilitonen mit Kindern geguckt und
gedacht: Was tun die sich jetzt nur an? Heute
würde ich sagen, es ist gar nicht schlecht, im
Studium Kinder zu bekommen.
Was waren besonders schwierige
Situationen als Mutter und aufstrebende
Wissenschaftlerin?
Schwierig ist
jetzt die Phase, wo die Kinder älter sind. In
der frühen Phase war die Betreuung durch den
Kindergarten sehr gut abgedeckt. Der
Kindergarten lag auf dem Weg zur Arbeit, hatte
gute Betreuungszeiten und (fast) alles ließ
sich gut und problemlos organisieren. Aber
jetzt werden die Kinder älter und es sind
andere Fragen, die sie beschäftigen. Und wenn
man dann nicht zuhause ist… Mir fällt es
manchmal schwer, dass ich einfach viele
Situationen verpasse und ich mir dann hinterher
überlege: Da ich hätte da sein sollen. Gerade
wenn ich auf Dienstreisen ganz woanders bin und
nicht schnell mal da sein kann.
Und wie war das für Ihre Kinder?
Die Kinder finden das überhaupt
nicht gut, wenn die Mutter weg ist.
Ihr Mann und Ihre Kinder wohnen seit
2012 weiterhin in Hannover, während Sie nach
Wien pendeln, wo Sie als Professorin an der
Vetmeduni arbeiten. Wie wichtig die
Mobilität in der Forschung ist, wurde auf dem
Seminar ständig angesprochen. Waren Sie durch
Ihre Kinder eingeschränkt in Ihrer Mobilität?
Ja, ohne Kinder wäre ich
dauerhaft ins Ausland gegangen. So bin ich für
die Familie hier geblieben.
Wie findet man Unterstützung?
Die Hauptunterstützung bekommt
man durch den eigenen Partner. Wenn nicht beide
an einem Strang ziehen, hat man schlechte
Karten. Es geht nicht einfach darum, dass einer
von beiden den Arbeitsplatz wechselt und der
andere zurück steckt: Wenn beide berufstätig
sind, betrifft das jeden Bereich des täglichen
Lebens.
Was ist ihr Rat an junge Mütter:
Sollte man bei der Bewerbung angeben, dass man
Kinder hat? Und warum tun sich Arbeitgeber
schwer, Mütter einzustellen?
Als
Arbeitgeber hat man klare Zielvorgaben: man
muss gute Leistungen bringen und das Institut
voranbringen. Da sind es Hinderungsgründe, wenn
Mitarbeiter nicht flexibel sind oder wenn sie
wegen Schwangerschaft oder Kindern ausfallen.
Auf der anderen Seite darf man natürlich nicht
nur nach solchen Gesichtspunkten entscheiden.
Ich habe in Wien zum Beispiel eine
Mitarbeiterin, die auch drei Kinder hat und die
einfach großartig ist. Sie scheut keine Arbeit,
ich kann immer auf sie zählen, sie ist flexibel
und sie weiß genau: Wenn sie jetzt eine Woche
durcharbeitet oder auf einem Betrieb ist oder
ein gemeinsames Projekt irgendwie organisiert
bekommt, dann hat sie anschließend auch freie
Hand, sich ihre Zeit wiederzuholen. Das ist ein
gegenseitiges Geben und Nehmen.
Wenn man
das bei einem Bewerber vorher wüsste, wäre das
überhaupt kein Problem. Aber man weiß halt nie
vorher, wie die Person tickt, wenn man sie
einstellt.
Ich kann mir schon vorstellen,
dass ein Arbeitgeber in der Entscheidung
beeinflusst wird, wenn eine Bewerberin Kinder
hat. Ich halte es aber für richtig, wenn man
das angibt und dann offen kommuniziert, wie
flexibel man ist, und dass man bereit ist, viel
zu arbeiten, wenn man einen Vertrauensvorschuss
bekommt und sich dann hinterher seine Zeit auch
wieder frei einteilen kann, wenn man selber sie
braucht. Ich glaube, das wäre der beste Weg.
Immer noch ist es so, dass es an der
Basis der Tiermedizin sehr viele Frauen gibt,
an der Spitze jedoch hauptsächlich Männer.
Glauben Sie, dass es für Frauen mit Kindern
schwieriger ist, ihren Karriereweg zu
gestalten?
Ja, das glaube ich
schon. Und das wird sich meiner Meinung nach
auch nicht ändern. Das liegt an den Emotionen,
in denen man als Frau gefangen ist: Dass man
sich hin- und hergerissen fühlt zwischen
Karriere und Nachwuchs. Der Tag hat einfach nur
24 Stunden und jemand, der keine Kinder hat,
der schafft im Beruf einfach mehr.
Wie müsste sich denn zumindest die
Forschungslandschaft ändern, damit sie
kinderfreundlicher wird?
Wir
brauchen mehr unbefristete Stellen. Ich
verstehe schon alle Argumente, die dagegen
sprechen. Aber wir müssen da einen Mittelweg
finden, gerade für die guten Leute, die sich
extrem einsetzen. Im Grunde ist am Wichtigsten
für die hochmotivierten Kolleginnen, dass man
den Vertrauensvorschuss bekommt, sich seine
Zeit selber einteilen zu können, ohne ständig
kontrolliert und überwacht zu werden. Es wird
immer wichtiger, dass man ergebnisorientiert
arbeitet und auch nur danach bewertet wird.