Studenten der Tiermedizin diskutierten Ende März in Hannover über Vor- und Nachteile einer wissenschaftlichen Karriere
„Es wird immer schwieriger, frei werdende Professorenstellen mit Tiermedizinern zu besetzen und in den nächsten Jahren gibt es davon zahlreiche“, sagt Katharina Wadepohl, „vielleicht liegt es daran, dass viele eine wissenschaftliche Laufbahn für sich nicht in Betracht ziehen.“ Deshalb lud die 29-Jährige Doktorandin Studenten und frische Absolventen aller deutschsprachigen Veterinärfakultäten vom 30. März bis 2. April zum Seminar „Tierärzte in der Forschung“ an die Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo) ein. 32 Teilnehmer diskutierten mit Akteuren der Wissenschaft darüber, wie der richtige Einstieg in die Forschung gelingen kann, wer einen PhD und wer eine Doktorarbeit machen sollte und wann für Frauen ständige Mobilität zum Nachteil wird. Unterstützt wurde die Veranstaltung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), den Bundesverband der Tiermedizinstudierenden Deutschland (bvvd) und den Präsidenten der TiHo, Dr. Gerhard Greif.
„Viele verkennen die Möglichkeiten der Forschung, kein Tag ist wie der andere“, sagt Greif. Etwas mehr als die Hälfte eines Jahrganges an der TiHo beginnt nach dem Studium eine Doktorarbeit, „aber in der universitären Forschung bleiben die Wenigsten. Das hängt sicher auch mit der Unsicherheit akademischer Anstellungen zusammen“, vermutet Katharina. Viele Verträge sind nur befristet, das Wissenschaftszeitvertragsgesetz schreibt enge Grenzen der Beschäftigungsdauer vor. Aber nicht nur an der Universität, auch an außeruniversitären Forschungseinrichtungen und in der Industrie werden gut ausgebildete Veterinärmediziner gebraucht.
Ist der Doktortitel provinziell?
Katharina, die seit über
zwei Jahren als wissenschaftliche Mitarbeiterin
an der Außenstelle für Epidemiologie der TiHo
in Bakum forscht, hat die Unsicherheit der
akademischen Forschungslandschaft selbst
erlebt: Ihre erste Doktorarbeit begann sie noch
während des praktischen Jahres – unüblich für
Tiermediziner und nicht zu empfehlen, wie sie
sagt. Monate verbrachte sie mit der
Literaturrecherche und wartete vergeblich auf
die zugesicherte Anstellung und damit
verbundene Finanzierung. Letztlich blieb ihr
nur der Wechsel in ein anderes Institut zu
einem anderen Thema.
Ihr aktuelles Forschungsprojekt bearbeitete Katharina zunächst ebenso als klassische Doktorarbeit, entschied sich dann aber für den Wechsel ins PhD-Programm der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Eine Doktorarbeit schreiben nur wegen des Titels, das war nicht ihr Plan. Vielmehr entschied sie sich mit dem Eintritt ins englischsprachige PhD-Programm bewusst für den Weg der akademischen Laufbahn. Seitdem das Programm 1998 an der TiHo als bundesweit erstes PhD-Studium etabliert wurde, gab es 343 Absolventen. 75 Prozent arbeiten zumindest in den ersten fünf Jahren nach dem Abschluss in dem Feld, für das sie durch das Aufbaustudium ausgebildet wurden: in der universitären oder industriellen Forschung.
Aber auch der Dr. med. vet. ist nicht nur ein geachtetes Kürzel am Praxisschild, sondern ebenfalls eine gute Grundlage für eine Forscherkarriere, lernten die Teilnehmer des Seminars. Bewegt man sich mit dem Doktortitel jedoch außerhalb Deutschlands, müsse man damit rechnen, seinen Ausbildungsstand erklären zu müssen, sagt Greif: „Der Dr. med. vet. ähnelt sehr dem DVM, der im englischsprachigen Raum nichts anderes bedeutet als Tierarzt.“ Der PhD (steht für ‚Doctor of Philosophy‘) hingegen ist das internationale Äquivalent für den Doktortitel in den Naturwissenschaften.
Drei Jahre ok, aber bitte nicht
unbezahlt
Viele der
Teilnehmer äußerten, dass sie bisher nicht
gewusst hätten, dass es PhD-Programme an
deutschen Veterinärfakultäten gibt. Aber auch
weitere Wissenslücken auf dem Weg zum höchsten
akademischen Grad galt es zu schließen: über
die Lehrverpflichtung für Doktoranden an der
Universität und die oft schwierige Frage der
Finanzierung etwa. „Eine unbezahlte
Doktorarbeit sollte keiner annehmen, dann ist
die Qualität der Forschung nicht mehr
gesichert“, stellt Katharina klar heraus, die
sich bis 2014 als Vorsitzende des bvvd
engagierte.
Tierarzt Max Rieckmann riet, bei der Suche nach einer Doktorarbeit den Blick auch außerhalb des eigenen Campus schweifen zu lassen. Er wurde an der Uniklinik Halle fündig und genießt den Austausch mit den vielen nicht- tiermedizinischen Wissenschaftlern, ein Netzwerk, das ihm sicher bei der anschließenden Jobsuche helfen wird. Einen Betreuer an einer veterinärmedizinischen Bildungsstätte braucht er dennoch, um den „richtigen“ Titel, den Dr. med. vet., zu erlangen.
Drei Jahre hat Max für seine Doktorarbeit eingeplant, das ist die übliche Zeitspanne für sowohl den Dr. med. vet. als auch den PhD. Ansonsten unterscheiden sich beide Wege sehr: Während der klassische Weg mehr Freiheiten lässt, lässt man sich beim PhD auf ein weiteres getaktetes Studium ein, mit vielen Pflichtaufgaben, wie regelmäßigen Vorlesungsbesuchen und Posterpräsentationen. Eine Publikation in einem englischsprachigen Fachjournal ist ebenso vorgeschrieben – neben der eigentlichen Abschlussthesis.
Bestens gewappnet für eine
wissenschaftliche Karriere
Den Unterricht sieht PhD-Studentin
Katharina Wadepohl jedoch nicht als Belastung,
sondern als Bereicherung: „Ich habe viel
gelernt, nicht nur fachlich, auch, wie ich
meine Ergebnisse präsentiere. Damit fühle ich
mich gut gewappnet für eine wissenschaftliche
Laufbahn.“
Diese Laufbahn, die bekanntermaßen vom internationalen Austausch und Forschungsaufenthalten an wechselnden Orten geprägt ist, scheint mit dem PhD also prinzipiell besser geebnet. Die hohe Mobilität, die sich aus diesem Karriereweg ergibt, ist allerdings nicht nur Möglichkeit, sondern auch Verpflichtung und das bringt Nachteile mit sich, besonders mit Blick auf die Familienplanung: „Irgendwann will man doch auch mal sein Nest bauen“, sagt ein Student im Publikum. Stimmt, irgendwann, entgegnet Dr. Jessika Cavalleri, aber vorher gelte es, Abstriche zu machen. Die 42-jährige Oberärztin ist vor einigen Jahren aus Zürich zurück an die Pferdeklink der tierärztlichen Hochschule Hannover gegangen. Ihr Mann blieb zurück: „Seit elf Jahren führen wir eine Fernbeziehung. Zum Glück gibt es eine Direktverbindung zwischen Zürich und Hannover.“
Karriere vs. Familie?
„Man bekommt manchmal den Eindruck, dass
eine wissenschaftliche Karriere nicht mit einer
Familie zu vereinbaren ist“, sagt Dr. Imke
Steffen, „das stimmt so nicht.“ Die 35-jährige
Biochemikerin arbeitet gerade noch am Blood
Systems Research Institute in San Francisco und
ist dort Mutter geworden. „Der Vorteil in der
Forschung ist, dass man sich seinen Tag
zeitlich flexibel einteilen kann.“ Nun zieht es
sie nach Hannover, um die Leitung einer
Nachwuchsgruppe am Institut für Physiologische
Chemie und am Research Center for Emerging
Infections and Zoonoses zu leiten, ihr Sohn ist
gerade zwei Jahre alt geworden und kommt mit.
Dass Karriere und Familie sich nicht ausschließen, zeigt auch Prof. Isabel Hennig- Pauka, Leiterin der Außenstelle für Epidemiologie der TiHo in Bakum und Mutter dreier Söhne. Sie sagt, eine wissenschaftliche Karriere ist nicht besser oder schlechter mit Kindern zu vereinbaren wie etwa die Arbeit als Praktiker – sie sieht hier sogar Vorteile für die Familiengründung. Im Interview spricht sie über den schwierigen Spagat als Mutter und Karrierefrau, ob Kinder in den Lebenslauf gehören und wann überhaupt der beste Zeitpunkt zum Kinderkriegen ist.
Eine neue Perspektive nach dem
Studium
TiHo-Präsident
Gerhard Greif fasst das Ergebnis der
Veranstaltung zusammen: „In der Forschung gibt
es viele Möglichkeiten, aber keine Garantie.“
Er wollte bei den jungen Leuten Interesse
wecken, denn „eine gute Forschung ist auch die
Grundlage für unsere gute universitäre Lehre.“
Drei Jahre für zwei – oder drei Buchstaben –
das lohnt sich also. Katharina hatte einen
deutlichen Bedarf nach solch einer
Informationsveranstaltung gesehen, in den
Aussagen der Teilnehmer bestätigt sich ihre
Vermutung. Sie ergänzt: „Mir war es wichtig,
ein Bewusstsein für diesen Weg nach dem Studium
zu schaffen. Das Besondere an der Veranstaltung
war, dass man so viele Menschen mit spannenden
Lebensläufen und Erfahrung persönlich treffen
und ausfragen konnte.“ Einer war Prof. Wolfgang
Baumgärtner, unter Studenten der Tiermedizin
bekannt für seine Pathologie-Fachbücher. Er
sagte: „Im Studium hatte ich nicht die
Forschung auf dem Radar. In der Praxis habe ich
dann aber gemerkt: Das ist nicht die
Herausforderung, der ich mich stellen
wollte.“
„Als ich das Studium begonnen habe, wollte ich Praktiker werden“, das hörte man in den vier Seminartagen oft – für Prof. Baumgärtner kam es anders, für Dr. Greif und Katharina auch. Allein die Forschung ist bereits ein breites Betätigungsfeld für Tiermediziner, das hat sich in Hannover gezeigt.
Daneben bietet das Tiermedizinstudium aber noch zahlreiche weitere Möglichkeiten. Um Studierenden bereits früh Alternativen zur Praxis aufzuzeigen, gibt es „ Vets up“. 1996 wurde die regelmäßige Berufsinformationsveranstaltung an der FU Berlin etabliert. Einmal jährlich berichten seitdem Industrie- und Amtstierärzte, aber auch Praktiker, Doktoranden und sogar Veterinäroffiziere vor Studierenden an allen fünf deutschen Veterinärfakultäten aus ihrem Leben und stehen für Fragen zur Verfügung. Die erste Station wird in diesem Jahr Gießen sein: am Samstag, 6. Mai 2017. Start ist 9 Uhr im Hörsaal des Instituts für Veterinärphysiologie am FB Veterinärmedizin, Ende 16 Uhr. Die Veranstaltung ist kostenfrei, für das leibliche Wohl wird gesorgt.