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Blauzungenkrankheit

Die Blauzungenkrankheit (Bluetongue Disease, BTV) ist eine durch das Bluetongue-Virus (BTV) verursachte, nicht ansteckende Virusinfektion und anzeigepflichtige Tierseuche, die vor allem Wiederkäuer wie Schafe, Rinder und Ziegen betrifft und seit Oktober 2023 wieder offiziell in Deutschland grassiert. Für Menschen ist die Blauzungenkrankheit ungefährlich. Fleisch- und Milchprodukte können bedenkenlos verzehrt werden.

Um die Tierseuche zu rück zu drängen und schwere Krankheitsverläufe und wirtschaftliche Einbußen der Landwirte zu vermeiden, sollten empfängliche Tiere entsprechend der Empfehlungen der Ständige Impfkommission Veterinärmedizin https://www.openagrar.de/servlets/MCRFileNodeServlet/openagrar_derivate_00060106/2024-07-01-Stellungnahme-BTV3-Impfstoffe.pdf (StIKo Vet) unbedingt geimpft werden. Dabei sollte die Grundimmunisierung der Tiere zu Beginn der Gnitzensaison nach Möglichkeit abgeschlossen sein. Dazu stehen seit Juni 2024 drei BTV-3-Impfstoffe per Notverordnung zur Verfügung. Zwei der Impfstoffe sollen jetzt auf Empfehlung der EMA https://www.ema.europa.eu/en/news/two-new-vaccines-against-bluetongue-recommended-approval offiziell zugelassen werden.

Außerdem sollten die Tiere auch durchInsektenschutzmittel vor einer Ansteckung durch Gnitzen geschützt werden.  

Virus und Serotypen

Bluetongue-Virus (BTV) ist ein doppelsträngiges RNA-Virus, das zusätzlich noch einzelne Segmente besitzt. Es gehört zum Genus Orbivirus der Familie Reoviridae und wird durch Stechmücken der Gattung Culicoides (Gnitzen) transdermal übertragen. Außerdem kann eine BTV-Übertragung auch iatrogen, z.B. durch die Verwendung nicht sterilisierter Kanülen bei Mehrfachverwendung erfolgen. Eine direkte Übertragung von Tier zu Tier findet nicht statt.

Es sind derzeit 27 Serotypen bekannt. Diese Serotypen unterscheiden sich in ihrer genetischen Zusammensetzung und Immunantwort, sodass eine Immunität gegen einen Serotyp nicht automatisch Schutz gegen einen anderen bietet. Nachdem im Frühjahr 2019 in Deutschland die letzten BTV-Fälle mit dem Serotyp 8 (BTV-8) registriert worden waren, breitet sich der Serotyps 3 (BTV-3) seit Oktober 2023 in Deutschland sowie in anderen Ländern Nord- und Mitteleuropas rasant aus. Bereits im September 2024 wurden in allen Bundesländern in Deutschland sowie in allen Nachbarländern BTV-3-Ausbrüche festgestellt. In andere europäische Länder wie Frankreich, Italien und Österreich kommt zusätzlich vom Serotyp 4 (BTV-4) vor.

Virusnachweis
Ein Virusnachweis im Blut gelingt frühestens 6 Tage p.i.. Die Antikörperbildung beginnt ca. 7 Tage p.i. und erreicht innerhalb von 4 Wochen den Höhepunkt. Der Virusnachweis im Blut gelingt etwa 45-90 Tage lang. Der Nachweis von Virusgenom mittels rt-PCR bis zu 220 Tagen.

Klinische Symptome und Verlauf (Bild Schafe)

Bei Schafen verläuft die Erkrankung meist akut. Symptome sind Fieber, Schwellungen im Kopfbereich, Entzündungen der Maul- und Nasenschleimhäute, vermehrtem Speichelfluss und Lahmheit. Typisch ist eine bläuliche Verfärbung der Zunge, weshalb die Erkrankung auch Bluetongue = blaue Zunge getauft wurde. Die befallenen Schafe sterben meist nach 2-8 Tagen. Die Mortalitätsrate wird mit 2-80 Prozent angegeben. Die Stärke der Symptome kann zwischen den einzelnen Rassen variieren.

Rinder, Ziegen und Wildwiederkäuer zeigen oft mildere oder symptomlose Verläufe, können jedoch als Virusträger dienen und somit zur Verbreitung des Virus beitragen.

Mitunter können vor allem beim Rind aufgrund der diaplazentaren Übertragung auch Aborte, kongenitale Missbildungen und Fruchtbarkeitsstörungen insbesondere nach Infektion mit schwach virulenten BTV-Serotypen auftreten.

Als Differenzialdiagnosen kommenMaul- und Klauenseuche (MKS), Rinderpest, Bovine Virusdiarrhoe (BVD), Bösartiges Katarrhalfieber (BKF), Infektiöse Stomatitis, Schafpocken und Photosensibilisierung in Frage.

Rechtliche Bestimmungen und Handel

Die Blauzungenkrankheit ist in Deutschland und der EU anzeigepflichtig. Bei Ausbruch der Seuche werden eine Sperrzone sowie ein Beobachtungsgebiet festgelegt, das Wiederkäuer nicht verlassen dürfen. Zudem gelten strenge Regelungen für den Transport von Wiederkäuern und Kameliden in diesen Gebieten.

Eine flächendeckende Impfung kann dazu beitragen, Handelsbeschränkungen zu minimieren und wirtschaftliche Verluste zu reduzieren.

Links

Übersichtskarte mit BTV-Fällen in Deutschland
https://www.fli.de/de/aktuelles/tierseuchengeschehen/blauzungenkrankheit/

BMEL-Broschüre zum aktuellen Informationsgeschehen von BTV-3 in Deutschland
https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Tiere/Tiergesundheit/Tierseuchen/BTV-3-Informationen.pdf?__blob=publicationFile&v=4

Aktuelle Meldungen

BTV bringt Schäfer:innen an den Rand ihrer Existenz

18. September 2024

Die Blauzungenkrankheit (BTV) breitet sich immer weiter in Deutschland aus. Neben Rindern sind Schafe besonders betroffen von der Tierseuche. Schäfer:innen haben bereits große Teile ihrer Herden durch die Krankheit verloren und sind an den Rand ihrer Existenz gedrängt worden. Wie auch Sven Scheffler, der in den letzten Wochen mehr als 800 seiner 4.000 Kopf großen Herde tot oder offensichtlich lebensschwach geborgen hat. „Durch die Blauzunge ist der schönste Beruf für mich mittlerweile zum schlimmsten geworden“, konstatiert Scheffler.

In der vergangenen Woche hatte die Ständige Impfkommission Veterinärmedizin (StIKo Vet) in einer aktualisierten Stellungnahme auf die Dringlichkeit hingewiesen, gefährdete Wiederkäuer unverzüglich mit einem der zur Anwendung gestatteten BTV-3-Impfstoffe zu impfen. Die Impfung gegen das Virus hat der Schäfer Scheffler nach eigenen Aussagen mit großer Wahrscheinlichkeit zu spät vornehmen lassen. Sein finanzieller Schaden beläuft sich mittlerweile auf rund 200.000 Euro, Tendenz steigend. „Ein Ende ist bisher leider nicht in Sicht. Wenn da nicht bald was kommt, würde es am meisten Sinn machen, aufzuhören“, sagt der Schäfer und blickt über die abgesteckte Weide mit den kranken Tieren.

Agrarheute

FLI

Tierkörperbeseitigungsanlagen wegen BTV überlastet

6. September 2024

Die Blauzungenkrankheit (BTV) hat sich in den vergangenen Wochen massiv in Deutschland ausgebreitet. Wie das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) mitteilte, wurden bis zum 29. August 2024 bundesweit rund 6.000 Fälle gemeldet.  Neben Rindern und Ziegen erkranken insbesondere Schafe. Die Zahl der verendeten Schafe hat deswegen so stark zugenommen, dass es in einigen Regionen zu einem bedrohlichen Engpass bei den Tierkörperbeseitigungsanlagen gekommen ist, da sie den rechtzeitigen Abtransport der verendeten Tiere nicht mehr gewährleisten können.

Nach Informationen des Belgischen Rundfunks (BRF) ist auch die Zahl der verendeten Rinder doppelt so hoch wie normal, bei den Schafen sogar vier- bis fünfmal so hoch. Wegen der explosionsartigen Ausbreitung der Blauzungenkrankheit in Belgien hat die Tierkörperbeseitigungsfirma Rendac die Arbeitszeiten erhöht. Nun werde auch an Samstagen und an Feiertagen gearbeitet, damit möglichst alle Tiere entsorgt werden können, heißt es weiter. 

Auch in Deutschland kommen die Tierkörperbeseitigungsanstalten aufgrund des vermehrten Auftretens von verendeten Tieren an ihre Grenzen. Die Landwirtschaftskammer Niedersachsen bezeichnet die Situation als heikel. Sowohl im Rinder- als auch im Schafsektor berichten Tierhalter:innen von einem erhöhten Aufkommen an Tierkadavern aufgrund der Tierseuche. Bei den Schafen sei die Situation teilweise katastrophal.

Agrarheute

Tierärzt:innen in MVP am Limit

28. August 2024

Neben der Afrikanischen Schweinepest (ASP) und der Geflügelpest breitet sich nun auch die Blauzungenkrankheit (BTV) in verschiedenen Regionen Deutschlands aus. Mecklenburg-Vorpommern gehört zu den Ländern, in dem alle drei Tierseuchen grassieren, deren Bekämpfung die dort ansässigen Tierärzt:innen an ihre Grenze bringt. So befürchtet der Präsident der Landestierärztekammer MV, Dr. Holger Vogel, eine drohende Eskalation im Veterinärwesen. Hinzu komme der hohe bürokratische Aufwand, der den Arbeitsdruck noch zusätzlich erhöhe. Erste Versorgungslücken seien in MV bereits jetzt zu erkennen.

Die Veterinärämter arbeiten mit Hochdruck an der Koordinierung der Seuchenmaßnahmen. Die Schweinepestfälle, u. a. in den angrenzenden Bundesländern, verlangten von den Amtstierärzt:innen höchste Einsatzbereitschaft, um die Seuche einzudämmen, aufzuhalten und zu tilgen. Dazu gehört auch der Bau und die Abnahme der ASP-Schutzzäune sowie die gesamte Tierseuchendiagnostik. „Das zerrt am Personalbestand“, so der Kammerchef, der eine „unverzügliche“ personelle Entlastung fordert.

Allmählich gerate die tierärztliche Versorgung in Mecklenburg in Gefahr. Noch sei die Grundversorgung gesichert, meinte Vogel. Mittlerweile gebe es aber erste Lücken bei der Versorgung, so z.B. in der Hobbyhaltung von Hühnern und Enten. Auch der tiermedizinische Nachwuchs entscheidet sich immer häufiger gegen die Nutztiermedizin, nicht zuletzt, weil inzwischen viel Arbeitszeit in die anwachsenden Dokumentationspflichten einfließt. „Da steht dann die Betreuung des Einzeltiers oftmals nicht mehr ausschließlich im Vordergrund“, sagt Vogel, der auch der Präsident der Bundestierärztekammer ist, abschließend.

Nordkurier

Tierarztmangel.de

Tierseuchen in Deutschland verursachen Millionenschäden

21. August 2024

Neben der Geflügelpest und der Afrikanischen Schweinepest (ASP) breitet sich auch seit Oktober 2023 erstmals seit dem Jahr 2009 die Blauzungenkrankheit (BTV) in Deutschland massiv aus. Die R+V, Deutschlands größter landwirtschaftlicher Tierversicherer, erwartet durch das aktuelle Seuchengeschehen Schäden in Millionenhöhe. „Die Blauzungenkrankheit breitet sich derzeit explosionsartig in Deutschland aus“, erklärt Carsten Reimer, Agrarexperte bei der R+V Versicherung. „Bei uns gehen täglich neue Schadenmeldungen ein.“ „Die feuchtwarme Witterung in diesem Sommer befeuert die Mückenpopulation und damit die Ausbreitung der Blauzungenkrankheit“, so der Agrarexperte weiter. „Wir rechnen mit einem ähnlich schlimmen Ausmaß wie bei dem Seuchenzug von 2007/2008.“

In diesen Jahren zahlte der Tierversicherer rund 14 Millionen Euro an die Tierhalter:innen. Milchviehalter:innen verzeichnen durch die BTV massive Einbußen, da Kühe besonders nach der Kalbung schwer erkranken können. „Die Kühe geben dann weniger oder keine Milch mehr“, berichtet Reimer. „Für die Landwirte bedeutet das massive Einbußen.“ Da seitens des Staates keinerlei Entschädigung gezahlt wird, empfiehlt der Versicherungsexperte Rinderhalter:innen den Abschluss einer entsprechenden Ertragsschadenversicherung.

Anders sieht es bei den Schweinehalter:innen aus, deren Bestände im Fall eines ASP-Ausbruchs getötet werden müssen. In diesem Fall gibt es staatliche Ausgleichzahlungen. Die übrigen Schweinehalter:innen, deren Betriebe in den Sperrzonen liegen, erhalten jedoch kaum Erlöse für ihre Schlachttiere. Zudem müssen sie die zusätzlichen Kosten für Blutproben und Transport selber tragen, da diese nicht durch den Staat aufgefangen werden. Auch seien die Landwirt:innen in den entsprechenden Gebieten bei ihrer Ernte eingeschränkt, so Reimer. Die Erreger der Tierseuche überdauern lange in der Umwelt, die Weiterverbreitung in andere Regionen soll unbedingt verhindert werden. Deshalb dürfen Wildschweine nicht aufgescheucht werden – etwa durch Spaziergänger, Hunde oder landwirtschaftliche Maschinen. 

Auch wenn die Aviäre Influenze (Geflügelpest) aktuell etwas rückläufig ist, sei doch angesichts des nahenden Herbstes und des Beginns des Vogelzugs mit weiteren Ausbrüchen zu rechnen, so Reimer. Auch hier rechnet der Agrarexperte wieder mit hohen Zahlungen an die Landwirt:innen. Der Schaden, den der Versicherer seit Oktober 2020 wegen der Geflügelpest zu tragen hatte, beläuft sich auf insgesamt 36 Millionen Euro.

R+V

Blauzungenkrankheit breitet sich in Niedersachsen schnell aus

21. August 2024

Die Blauzungenkrankheit des Serotyps 3 (BTV-3) breitet sich unter Rindern, Schafen und Ziegen in Niedersachsen rasant aus. Wie Agrarministerin Miriam Staudte in der vergangenen Woche darlegte, seien bis zum 16. August 2024 bereits 1.005 Fälle gemeldet worden. Allein im August 2024 waren 460 Fälle dokumentiert worden (Juli: 90).

Besonders betroffen ist der Landkreis Peine, in dem es neben mehreren Ausbrüchen in Schafhaltungen auch erste Verdachtsfälle bei Rindern gibt. „Bereits wenn sich erste Symptome zeigen, die den Ausbruch der Blauzungenkrankheit befürchten lassen, besteht Anzeigepflicht“, erklärt Kreissprecher Fabian Laaß. Er rät Halter:innen von Schafen, Ziegen, Rindern, Alpakas und Lamas dringend, die Tiere gut zu beobachten und bei entsprechenden Symptomen ihren Tierarzt und das Veterinäramt zu informieren.

Ministerin Staudte rät allen Tierhaltern, ihre Tiere zu impfen. Dafür stehen seit wenigen Wochen Impfstoffe gegen das BTV-Virus Serotyp 3 auf dem Markt zur Verfügung. Sie schützen mit hoher Wahrscheinlichkeit gegen klinische Symptome bei gleichzeitig guter Verträglichkeit. „Zwar kann auch bei geimpften Tieren noch eine Infektion auftreten, aber in der Regel sind die Krankheitserscheinungen bei diesen deutlich milder. Hierfür kann eine Beihilfe für die Impfung seitens der Tierseuchenkasse gewährt werden“, so Laaß. Der Kreissprecher weist zudem darauf hin, dass jede Impfung gegen die Blauzungenkrankheit dem zuständigen Veterinäramt innerhalb von sieben Tagen nach der Durchführung der Impfung gemeldet werden muss.

Landkreis Peine

NDR

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