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Frühzeitig Abgrenzung zwischen Berufsalltag und Privatleben lernen

19.05.2025

Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen und allen Beteiligten gerecht zu werden, gehört zu den großen Herausforderungen unserer Zeit. Tierärzt:innen gehören in der Regel zu den Menschen, die ihre tierischen Patienten bestmöglich betreuen wollen und damit häufig in Konflikt mit ihrem Privatleben kommen. Das kann sich schnell zu einer massiven Belastungsprobe entwickeln und sogar zum sogenannten Burn-out führen.

Eine aktuelle Studie aus dem Messerli Forschungsinstitut (MFI) der Veterinärmedizinischen Universität Wien hat in einer aktuellen Studie untersucht, wie Tierärzt:innen mit dieser Art Konflikt umgehen und welche  Strategien sie entwickeln.
Christian Dürnberger und Svenja Springer befragten insgesamt 18 Tierärztinnen und 2 Tierärzte, die sich auf Hospiz- und Palliativmedizin spezialisiert haben. In den Gesprächen zeigte sich beispielsweise, dass die Kollision beruflicher und privater Termine im Alltag eines der größten Probleme darstellt. So sei es besonders schwierig, private Unternehmungen wie Urlaube langfristig zu planen und umzusetzen. Eine Teilnehmerin kritisierte, dass Tierbesitzer:innen häufig kein Verständnis dafür hätten, dass die Tierärztin auch eine Verantwortung als Mutter habe. Ein weiteres Problem sehen die Befragten auch in der dauernden Erreichbarkeit und den in Hinblick auf die modernen Kommunikationstechnologien entstandenen Erwartungen seitens der Tierbesitzer:innen. Auch nach Feierabend und an Wochenenden würden Antworten und Hilfestellungen erwartet.

Auch können belastende Situationen aus dem Arbeitsalltag im Privatleben nachhallen. „Häufig sind es nicht die Tiere, die diese belastenden Situationen hervorrufen, sondern die Schicksale ihrer Besitzer:innen, etwa, wenn diese in Armut leben oder einen geliebten Menschen verloren haben. In anderen Worten: Hört man den Tierärzt:innen zu, gewinnt man den Eindruck, als wissen sie so gut wie alles über ihre Kund:innen – und manchmal mehr, als sie eigentlich wissen wollen“, erklärt Dürnberger.

Auf der einen Seite nehmen Tierärzt:innen Abstriche in ihrem Privatleben zwar bewusst in Kauf, es werde aber auch genau überlegt, wem die Handynummer gegeben wird. Als Strategie halten die interviewten Tierärzt:innen konsequent das „Sie“ in der Kommunikation mit den Tierbesitzer:innen aufrecht und wahren stets – auch mental – eine professionelle Distanz.

Um eine Grenze zwischen Privat- und Berufsleben zu erarbeiten, plädieren Christian Dürnberger und Svenja Springer dafür, angehende Tierärzt:innen frühzeitig darauf vorzubereiten, dass die sogenannte „boundary work“ ein essentieller Bestandteil des veterinärmedizinischen Alltags ist – und genau das wird im Rahmen des Curriculums der Veterinärmedizinischen Universität Wien im Pflichtfach „Angewandte Ethik“ versucht: „Wir diskutieren mit den Studierenden, mit welchen Herausforderungen Tierärzt:innen im echten Leben tatsächlich konfrontiert sind und wie sie mit diesen Konflikten umgehen. Dazu gehören selbstverständlich auch Fragen zu den Spannungen, die zwischen Privat- und Berufsleben entstehen können.“

Vor diesem Hintergrund sehen sie weiteren Forschungsbedarf: „Unsere qualitative Studie liefert erste Einblicke. Zukünftige Untersuchungen sollten Konflikte und Strategien repräsentativ analysieren, denn gerade aus der Praxis können angehende Tierärzt:innen wichtige Impulse gewinnen.“

Vetmeduni Wien