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Kuhherde
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Einleitung
Die Zeit des Trockenstehens ist eine wichtige und kritische Phase im Laktationszyklus einer hochleistenden Milchkuh. In der Vergangenheit neigten Landwirte und Tierärzte gleichermaßen dazu, trockenstehende Kühe zu vergessen. Dies ist naheliegend, da diese nicht mehr gemolken werden und somit aus dem täglichen Blickfeld entschwunden sind. In den letzten Jahren hat sich jedoch die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Trockenstehzeit mit dem Übergang zur Laktation (Transitionsphase) ein wichtiger Grundstein nicht nur für die Tier- und Eutergesundheit, sondern auch für die Milch- und Fruchtbarkeitleistung darstellt.
Alle wesentlichen und kostspieligen Erkrankungen der Milchkuh nehmen ihren Ausgang in der Regel in der Trockensteh- bzw. Transitionsphase. Dazu gehören Puerperalerkrankungen wie Nachgeburtsverhaltung und der Metritis-Endometritis Komplex als auch Stoffwechselstörungen wie Ketose und Milchfieber sowie die Labmagenverlagerung.
Darüber hinaus beeinflusst die Trockenstehzeit die Konzentration an Immunglobulinen im Kolostrum und damit die Gesundheit der Nachzucht.
Für die Eutergesundheit ist die Trockenstehphase von besonderer Bedeutung. Zum einen ist das Risiko für das Entstehen einer intramammären Infektion durch umweltassoziierte Mastitiserreger sehr hoch. So finden in dieser Phase 60% der Neuinfektionen mit diesen Erregern statt. Zum anderen bietet die Zeitspanne des Trockenstehens die besten Aussichten, eine bestehende subklinische Infektion z. B. mit S. aureus auszuheilen.
Für den Tierarzt bietet die Trockenstehphase somit effektive Ansatzpunkte, die Tier- und Herdengesundheit positiv zu beeinflussen:
- Verbesserung der Eutergesundheit.
- Verringerung von Stoffwechselerkrankungen wie Ketose und Milchfieber.
- Verringerung von Geburtsstörungen und Puerperalerkrankungen.
- Steigern der Herdenfruchtbarkeit.
- Verbesserung der Kälbergesundheit.
Darüber hinaus werden hochaktuell verschiedene Fragen in Zusammenhang mit dem Trockenstehen von Wissenschaftlern, Tierärzten und Milchproduzenten diskutiert. Dazu gehören unter anderem die Art des Beendens des Milchentzuges am Ende der Laktation, die Dauer der Trockenstehphase und Möglichkeiten intensiverer Prophylaxemaßnahmen. Überraschend ist, dass im einschlägigen Schrifttum nur relativ wenige "harte Zahlen" zu diesen Aspekten vorliegen.
Deshalb wollen wie Ihnen mit diesem Fokusthema eine informative und aktuelle Zusammenfassung zum Trockenstellen von Milchkühen geben. Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen.
Ziel des Trockenstellens >>>
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Kuh mit Kalb
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Milchkühe werden am Ende einer Laktation bis zur nächsten Abkalbung trockengestellt. In der Regel wird eine Trockenstehdauer von etwa 45 bis 60 Tagen angestrebt. Ziel des Trockenstellens ist es, dem gesamten Organismus der Milchkuh eine Phase der Regeneration und Vorbereitung auf die nächste Laktation zu gewähren. Darüber hinaus bietet das Trockenstellen auch die Möglichkeit, die Tier- und Eutergesundheit positiv zu beeinflussen.
Zu den Zielen einer optimalen Trockenstehzeit gehören im Einzelnen:
1. Vorbereiten der Milchdrüse auf die nächste Laktation.
2. Vorbereiten des Verdauungsapparates auf die nächste Laktation.
3. Die angemessene Versorgung des sich entwickelnden Kalbes.
4. Das Erhalten einer optimalen Körperkondition.
5. Verringern von Stoffwechselstörungen und Infektionserkrankungen.
Insbesondere der Pansen und die Milchdrüse sind in der Phase der Laktation enorm beansprucht worden und bedürfen der Regeneration. In der Trockenstehzeit laufen folgende Umbauvorgänge ab:
Involution der Milchdrüse. In den ersten drei Wochen wird die Milchsekretion unterbrochen und die Restmilch sowie abgestorbene Epithelzellen resorbiert.
Aufgrund der geringeren Energiedichte zu Beginn der Trockenstehphase bilden sich die Pansenzotten zurück. In dieser Zeit können auch Pansengeschwüre ausheilen, die sich durch große Kraftfuttermengen und/oder hohe Energiedichten in der Ration gebildet haben.
Der Wiederaufbau des milchbildenden Epithels in der späten Trockenstehphase dauert wiederum etwa drei Wochen. Dieser Vorgang ist für die Bildung des Kolostrums mit einem hohen Antikörperspiegel als auch für die Milchproduktion in der nächsten Laktation von großer Bedeutung.
In den letzten zwei bis drei Wochen vor der Abkalbung wird durch die Vorbereitungsfütterung das Wachstum der Pansenzotten angeregt. Dies steigert die Absorption freier Fettsäuren und verbessert die Energiebilanz nach der Abkalbung.
Euterpathogene Erreger >>>
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Schalmtest
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Euterpathogene Erreger werden pathophysiologisch und epidemiologisch in verschiedene Klassen eingeteilt. Die pathophysiologische Einteilung erfolgt in "Minor" und "Major Pathogens" entsprechend ihrer Bedeutung für die Pathologie des Euters. Zu der Gruppe der "Minor Pathogens" gehören Corynebacterium bovis (C. bovis) und Koagulase Negative Staphylokokken (KNS). Zu der Gruppe der "Major Pathogens" werden alle weiteren euterpathogenen Erreger wie Streptococcus agalactiae, Staphylococcus aureus, und Escherichia coli gezählt.
Eine epidemiologische Einteilung der "Major Pathogens" erfolgt nach dem Verbreitungs- und Übertragungsschema in die beiden Klassen euter- und umweltassoziierte Mastitiserreger. 3 Umweltmastitis und kontagiöse Mastitis sind dementsprechend Begriffe, um die Verbreitung (Epidemiologie) der Erreger zu beschreiben, die im Euter eine Infektion hervorrufen können. 17
Kontagiöse Mastitiden
Zu den kontagiösen Erregern zählen u.a. Sc. agalactiae, S. aureus und Mykoplasmen. Euterassoziierte Erreger zeichnen sich durch eine gute Adaptation an das Euter aus. Das Haupterregerreservoir ist dementsprechend das infizierte Euter. Die Übertragung der kontagiösen Erreger erfolgt besonders während des Melkens von Euter zu Euter und von Viertel zu Viertel. 3
Kontagiöse Mastitiden verlaufen häufig subklinisch und erhöhen die Zellzahl in der Milch. So wurde in vielen Untersuchungen in Herden mit erhöhter Tankmilchzellzahl ein hoher Anteil kontagiöser Erreger aus Eutern isoliert. 10,12 Jedoch kann es auch zu akuten oder perakuten Verläufen besonders bei S. aureus kommen.
Umweltassoziierte Mastitiden
Die wichtigsten Erreger dieser Gruppe sind Sc. uberis, Enterococcus spp, andere Streptokokken Spezies und gramnegative Erreger wie E. coli und Klebsiella spp.. 20,18 Einige Autoren 20,18 zählen auch Sc. dysgalactiae zu den umweltassoziierten Erregern. Die Zuordnung von Sc. dysgalactiae ist jedoch umstritten, da sich dieser Erreger epidemiologisch unterschiedlich verhalten kann.
Umweltassoziierte Erreger haben ihr Reservoir in der Umwelt und gelangen im Allgemeinen über die Umwelt in das Euter. Sie verursachen klinische, subklinische und latente Euterentzündungen. Bei mehr als der Hälfte der Streptokokken-Infektionen konnten in Untersuchungen keine klinischen Symptome beobachtet werden. 17,18 Klinische Mastitiden, die durch Umwelterreger verursacht werden, stellen häufig ein Problem von gut geführten Betrieben mit niedrigen Zellzahlen dar. 11,15 Diesbezüglich scheint eine "Konkurrenzsituation" zwischen kuh- und umweltassoziierten Erregern zu bestehen.
Umweltstreptokokken haben eine Persistenz von durchschnittlich 30 Tagen im Euter. Im Gegensatz dazu haben etwa 40% der von gramnegativen Erregern verursachten Mastitiden eine durchschnittliche Dauer von nur 7 Tagen. 17 Diese kurze Dauer von Infektionen mit coliformen Keimen ist ein Grund für die typischerweise relativ niedrigen Herdenprävalenzen. E. coli Stämme können aber auch persistierende intramammäre Infektionen hervorrufen 2,9 und chronisch werden. 19
Abwehrmechanismen*und Risiken >>>
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Kühe im Laufstall mit Stroh-Einstreu
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Risiko für intramammäre Infektionen ausgesetzt. Andererseits bestehen verschiedene Abwehrmechanismen, die die Prädisposition der trockenstehenden Milchdrüse für eine intramammäre Infektion beeinflussen.
Abwehrmechanismen
Die Bildung eines Keratinpropfes im Strichkanal ist für die Prophylaxe von Neuinfektionen vermutlich der wichtigste Abwehrmechanismus. Dieser wirkt als mechanische Barriere gegen eindringende Erreger. Zum anderen enthält der Keratinpfropf veresterte und nichtveresterte Fettsäuren, die das Bakterienwachstum hemmen. 6 Ein weiterer Abwehrmechanismus besteht in erhöhten Konzentrationen von Laktoferrin und Laktoperoxidase im Trockenstehersekret. Laktoferrin ist ein eisenbindendes Protein mit bakterizider Wirkung auf grampositive und negativer Erreger. Gramnegative Keime zeigen sich empfindlicher als grampositive. Weiterhin sind die Zahl und die Aktivität der Leukozyten in der Trockenstehphase erhöht. Die Konzentrationen von Milchfett und Milcheiweiß als Substrat für Wachstum von Bakterien sind dagegen erniedrigt.
Risikofaktoren
Zu den tierindividuellen Risikofaktoren für die Entstehung von Mastitiden in der Trockenstehphase zählen die verzögerte Ausbildung des Keratinpfropfes, hohe Zellgehalte in der Milch, hohe Milchleistung, das Milchablaufen und Veränderungen an der Zitzenkuppe.
Zwei große Feldstudien haben überzeugend gezeigt, dass die Bildung des Keratinpfropfes häufig verzögert ist. 7,21 So wies sieben bis zehn Tage nach dem Trockenstellen die Hälfte aller Zitzen noch keinen funktionsfähigen Keratinpfropf auf. Sechs bis sieben Wochen nach dem Trockenstellen fehlte ein Keratinpfropf noch bei 5 beziehungsweise 23 Prozent der Strichkanäle. Zitzen mit einem vollständig ausgebildeten Keratinpfropf hatten ein 1,8-fach geringeres Risiko einer intramammären Neuinfektion in der Trockenstehperiode.
Infektionen mit pathogenen Erregern stellen den wichtigsten Einflußfaktor auf den Zellgehalt dar. Euterviertel, bei denen eine Infektion mit Koagulase Negativen Staphylokokken (KNS) oder Corynebacterium spp. besteht, haben ein deutlich erhöhtes Risiko einer Neuinfektion in der Trockenstehphase insbesondere mit Sc. uberis. Auch eine hohe Milchleistung zum Zeitpunkt des Trockenstellens geht mit einem erhöhten Risiko für Neuinfektionen einher. Eine hohe Milchleistung führt nicht nur häufig zu einem spontanen Ablaufen der Milch, sondern auch zu der og. verzögerten Bildung des Keratinpfropfes. Zudem führen Milchrückstände in Liegeboxen zu einer Keimanreicherung und stellen eine erhebliche Kontaminationsquelle dar. Bei den Veränderungen an der Zitzenkuppe sind Risse und Hyperkeratosen als Risikofaktoren für Infektionen bedeutsam. Insbesondere geht eine mittel- und hochgradige Hyperkeratose der Zitzenkuppe zum Zeitpunkt des Trockenstellens mit einer deutlich gesteigerten Mastitisgefahr in der Folgelaktation einher.
Zeiten erhöhten Risikos
Im Verlauf des Trokenstehens sind die drei Phasen Involution, Steady State und Kolostrogenese zu unterscheiden. Es wird davon ausgegangen, dass sich die Empfänglichkeit der trockenstehenden Milchdrüse in den drei Phasen des Trockenstehens unterscheidet (1).
Während in den ersten zwei bis drei Wochen nach dem Trockenstellen und in den letzten zwei Wochen vor der Kalbung das Risiko für die Entstehung einer intramammären Infektion ansteigt, ist die vollständig zurückgebildete Milchdrüse relativ resistent hinsichtlich Neuinfektionen.
Insbesondere während der Involution ist das Risiko für eine intramammäre Infektion erhöht. 1 Ursachen dafür sind der Wegfalls des Spüleffektes im Bereich des Strichkanales und die Druckerhöhung in der Milchdrüse durch den Wegfall des Melkens. Auch die Unterbrechung des Zitzendippens und die Kompression des Strichkanales erhöhen das Infektionsrisiko. Außerdem verzögert die langsame Rückbildung der Milchdrüse die schützende Wirkung von Laktoferrin und den Immunglobulinen im Trockenstehersekret. Darüber hinaus sind die Konzentrationen von Milchfett- und Milcheiweiß während der Involution noch hoch und die Leukozytenaktivität verringert.
In den letzten zwei Wochen vor der Abkalbung steigt mit dem Einsetzen der Kolostrumbildung und dem Aufeutern die Empfänglichkeit der Milchdrüse für intramammäre Neuinfektionen wieder an. Dies wird durch den Verdünnungseffekt bei den bakteriziden Faktoren, die Zerstörung des Keratinpfropfes und eine beeinträchtigte Funktion der Leukozyten kurz vor der Abkalbung verursacht. Bei antibiotisch trockengestellten Vierteln sinken zu diesem Zeitpunkt die Konzentrationen der antimikrobiellen Wirkstoffe unter die minimale Hemmstoffkonzentration
(MHK). Dieses ist insbesondere bei Trockenstellern der Fall, die eine kurze Wirkungsdauer haben. Dadurch ist am Ende der Trockenstehphase keine antimikrobielle Schutzwirkung mehr gegeben.
Allgemeine Maßnahmen zur Prophylaxe von Euterentzündungen >>>
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Dipp- und Vormelkbecher
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Mastitiden sind typische multifaktorielle Krankheitsgeschehen. Sie stellen ein klassisches Beispiel für die Interaktion zwischen Keim, Wirt und Umwelt dar. Es ist notwendig, Risikofaktoren spezifisch für bestimmte Erreger zu analysieren. Kontrollprogramme zur Prävention von durch Umweltkeime hervorgerufenen Mastitiden müssen sich auf verbesserte Umweltbedingungen und gesteigerte wirtseigene Immunität konzentrieren (18). Konzepte zur Kontrolle der kontagiösen Erreger in einer Herde beziehen sich auf die Reduzierung der Verbreitung der Erreger von Kuh zu Kuh während des Melkens und die Minimierung oder Eliminierung der Erregerreservoire.
Eine Verringerung der Prävalenz subklinischer kontagiöser Mastitiden ist mit
Hygieneprogrammen möglich, die sich besonders auf die Ausführung des Melkens beziehen (14). Zu einer guten Melkhygiene gehören Einmaleutertücher, Zwischendesinfektion der Melkbecher, Zitzendippen nach dem Melken sowie regelmäßige Kontrolle der Melktechnik. Das Trockenstellen unter antibiotischem Schutz, das Schlachten chronisch infizierter Kühe und die antibiotische Therapie intramammärer Infektionen sind weitere wichtige Prophylaxe- oder Sanierungsmaßnahmen (4). Der Effekt zeigt sich in einer erniedrigten Tankmilchzellzahl. Die Inzidenz klinischer Mastitiden wird damit jedoch nicht beeinflusst.
Umwelterreger gelangen im Allgemeinen über die Umwelt in das Euter. Eine zentrale Rolle bei der Bekämpfung von Problemen spielt daher die Minimierung der Exposition der Zitzenenden mit Umwelterreger in der Umgebung der Tiere. Zu den vier wichtigsten Bereichen gehören Trockensteher- und Färsenstall, Abkalbebereich, Stall der laktierenden Kühe sowie der Melkstand (16). Dabei ist die Eliminierung von Feuchtigkeit die wirksamste Möglichkeit, Umweltmastitiden in einer Herde zu reduzieren. Eine stressfreie Umgebung und die Minimierung von Zitzenverletzungen spielen ebenfalls eine entscheidende Rolle bei der Prävention von Umweltmastitiden (16).
Trockenstellen unter antibiotischem Schutz
Seit den fünfziger Jahren wird ein Trockenstellen unter antibiotischem Schutz in vielen Ländern mit intensiver Milchproduktion praktiziert. Dieses Verfahren bietet die Möglichkeit, bestehende, durch sensible Erreger verursachte, intramammäre Infektionen auszuheilen. Außerdem wird in der Anfangsphase der Trockenstehzeit intramammären Neuinfektionen durch empfindliche Erreger wirksam vorgebeugt (13, 2). Bisher erfolgte in der Regel eine routinemäßige Behandlung aller Kühe. Behandlungsprotokolle, die zwischen gesunden und erkrankten Eutern bzw. Eutervierteln sowie "Risikoeutern" differenzieren, können durch ein selektives antibiotisches Trockenstellen von Kühen oder Eutervierteln mit besonderem Risiko einen wertvollen Beitrag zur Reduktion von Antibiotika leisten. Allerdings ist die Effizienz derartiger Behandlungsprotokolle bedauerlicherweise nur wenig untersucht. Zum anderen ist unklar, welche Akzeptanz in der Praxis durch den diagnostischen Mehraufwand gegeben wäre.
Die Herausforderung beim selektiven Trockenstellen ist die Entscheidung, ob ein Tier eine intramammäre Infektion aufweist oder eutergesund ist. Dafür sind eine Vielzahl von Testverfahren oder Geräten verfügbar. Dazu gehören u. a. der California Mastitis (CMT) Test und Geräte zur Messung der elektrischen Leitfähigkeit und der Zellzahl des Gesamtgemelkes des Tieres (MLP). Als Grenzwert für das Vorliegen einer intramammären Infektion wurde eine Zellzahl von 200.000/ml festgelegt. Zu Bedenken ist, dass der Zellgehalt der Milch am Ende der Laktation auch physiologischerweise mehr oder minder stark ansteigt. Deshalb ist es bei diesem Grenzwert möglich, falschpositive Entscheidungen zu fällen. So müssen Tiere, die einen Zellgehalt von über 200.000/ml aufweisen, nicht unbedingt eine intramammäre Infektion aufweisen. In diesem Fall würden Kühe behandelt, die tatsächlich keiner Behandlung bedürften. Auf der anderen Seite wird die Festlegung dieses relativ niedrigen Grenzwertes damit begründet, dass auch nur bei geringen Zweifeln an der Eutergesundheit eines Tieres, dieses als infiziert angesehen werden sollte (1) und ein Behandlungsbedarf in Form einer antibiotischen Trockenstelltherapie besteht. Dieses Vorgehen bietet die beste Möglichkeit, subklinische Infektionen auszuheilen.
Die antibiotische Trockenstelltherapie hat sich als sehr wirksam hinsichtlich der Ausheilung von bestehenden Euterinfektionen und der Prophylaxe von Neuinfektionen am Anfang der Trockenstehzeit erwiesen. Dennoch sind einige Aspekte kritisch zu beurteilen:
1. Eine antibiotische Trockenstelltherapie ist bei eutergesunden Kühen nicht notwendig und widerspricht den Leitlinien für einen zurückhaltenden Einsatz von Antibiotika.
2. Der Schutz vor Neuinfektionen ist bei einer antibiotischen Trockensteherbehandlung unvollständig, wenn die Infektion durch nicht sensible Erreger verursacht wird.
3. Am Ende der Trockenstehphase fällt die Wirkstoffkonzentration unter die minimale Hemmstoffkonzentration ab. Somit entfällt die antimikrobielle Wirkung in der kritischen Phase des Aufeuterns.
Antibiotisches Trockenstellen*- aber richtig >>>
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Mastitis
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Beenden des Melkens
Grundsätzlich gibt es zwei Arten, den Milchentzug am Ende der Laktation zu beenden. Zum einen den abrupten Abbruch des Melkens und zum anderen eine Verringerung der Melkfrequenz für eine bestimmte Zeit bis zum letzten Melken. Dabei werden unterschiedliche Methoden sowohl für die Melkfrequenz (einmal täglich, jeden zweiten Tag) als auch für den Zeitraum (1 bis 2 Wochen) beschrieben. In beiden Fällen wird i.d.R. eine antibiotische Behandlung im Anschluss an das letzte Melken vorgenommen. Es gibt Hinweise, dass ein Verringern der Melkvorgänge in den letzten zwei Wochen vor dem Trockenstellen die Milchleistung reduziert und dadurch die Häufigkeit intramammärer Neuinfektionen im Vergleich zu einem abrupten Trockenstellen reduziert. 5
Darüber hinaus kann die Milchleistung vor dem Trockenstellen durch eine Reduktion der Energiedichte der Ration und eine Begrenzung der Wasseraufnahme vermindert werden. Weiterhin sind die jeweiligen Trockenstellmaßnahmen spezifisch an einen Betriebs anzupassen. Hierbei spielen die Art des Stalles, die Verfügbarkeit von Arbeitskräften und das Management eine Rolle. 8
Vorgehen beim antibiotischen Trockenstellen
Vor dem Einbringen der antibiotischen Salbe ("Trockensteller"), d.h. nach dem letzten Melken, müssen die Zitzenkuppen gründlich gesäubert werden. Zu empfehlen ist auch ein Dippen. Dabei ist wichtig, dass das Dippmittel mindestens 30 Sekunden einwirken kann, bevor es abgewischt wird. Danach werden die Zitzenkuppen mit einem mit 70%-igem Alkohol getränkten Zellstofftuch desinfiziert. Für jede Zitze muss ein neues Zellstofftuch verwendet werden. Zuerst werden die Zitzen auf der Seite des Euters gereinigt, die der durchführenden Person abgewandt ist. Danach die gegenüberliegenden Zitzen.
Das Einbringen des Trockenstellers erfolgt dann in umgekehrter Reihenfolge. Zuerst werden die Zitzen behandelt, die der durchführenden Person zugewandt sind. Danach kommen die Zitzen auf der gegenüberliegenden Seite an die Reihe. Durch dieses Vorgehen wird vermieden, dass die bereits desinfizierten Zitzenkuppen versehentlich mit der Hand oder dem Arm erneut kontaminiert werden. Für eine optimale Hygiene sind auch saubere Hände und/oder das Tragen von Handschuhen wichtig. Nach dem Einbringen und Hochmassieren der antibiotischen Salbe sollten die Zitzen gedippt werden. Nach dem Trockenstellen sollten die Kühe für etwa 2 bis 3 Wochen täglich kontrolliert werden. Damit wird einerseits ein ggf. auftretendes Ablaufen der Milch erkennbar und zum anderen werden beginnende Euterentzündungen frühzeitig diagnostiziert.
Wissenswertes zur Pharmakologie von Cefquinom >>>
Wirkungsweise
Cephalosporine gehören wie die Penicilline zu den ß-Laktam-Antibiotika. Typisch für diese Gruppe der Antibiotika ist der β-Laktam-Ring. Während die Struktur der Penicilline auf der 6-Aminopenicillansäure aufbaut, leiten sich die Cephalosporin von der 7- Aminocephalo-sporansäure ab.
Penicilline und Cephalosporine haben grundsätzlich denselben Wirkungsmechanismus. Sie wirken antimikrobiell durch eine Hemmung der Zellwandsynthese der Bakterien. Dafür müssen die β-Laktam-Antibiotika durch die Zellmembran der Bakterien penetrieren und eine Bindung mit bestimmten, an der Innenseite der Bakterienwand gelegenen Eiweißen eingehen. Diese werden auch als Penicillin-Binde-Proteine (PBP) bezeichnet. Der β-Laktam-Ring geht eine Bindung mit dem aktiven Zentrum eines Enzyms (Murein-Transpeptidase) ein. Diese ist für die Quervernetzung des Mureins der Bakterienzellwand notwendig. In der Folge ist der Aufbau der Zellwand gestört. Durch die entstehenden Lücken kommt es infolge des wachsenden Innendrucks zur Auflösung der Bakterienzelle. Da die Angriffsziele der β-Laktam-Antibiotika (d.h. die bakteriellen Enzyme) in tierischen Zellen fehlen, ist die Zytotoxizität gering.
Historisches
Das erste Cephalosporin wurde 1945 aus dem Pilz Cephalosporium acremonium isoliert. 1953 wurde seine chemische Struktur aufgeklärt. In den letzten drei Jahrzehnten wurden die klinische Wirksamkeit und das antimikrobielle Erregerspektrum durch verschiedene chemische Veränderungen erweitert. Heute werden die Cephalosporine in vier Generationen eingeteilt. Jede Generation hat ihre eigenen chemischen und antimikrobiellen Eigenschaften.
Resistenzen
Bei β-Laktam-Antibiotika treten Resistenzen insbesondere durch die Bildung von spezifischen Enzymen (β-Laktamasen) durch die Bakterien auf. Diese führen durch hydrolytische Spaltung des β-Laktam-Ringes zu mikrobiell inaktiven Verbindungen. Die β-Laktamasen werden in Penicillinasen (Staphylokokken) und in Cephalosporinasen unterschieden. Darüber hinaus werden Resistenzen durch eine Minderung der Durchlässigkeit der bakteriellen Zellwand und eine Veränderung der Struktur der Penicillin-Binde-Proteine verursacht. Die Häufigkeit von Resistenzen hängt insbesondere vom Erreger und dem antimikrobiellen Wirkstoff sowie -bei Cephalosporinen- von der Generation ab.
Vier Generationen von Cephalosporinen
Cefquinom ist das erste Cephalosporin der vierten Generation in der Tiermedizin. Diese Generation zeichnet sich durch verbesserte Eigenschaften aus:
- Chemische Struktur eines Zwitterions. Dadurch extrem schnelle Penetration der äußeren Bakterienzellwand
- Hohe Wirksamkeit gegen ein breites Spektrum bakterieller Krankheitserreger
- Hohe Stabilität gegenüber β-Laktamasen. Damit geringes Resistenzrisiko
- Hohe Affinität zu Penicillin-Binde-Proteinen
Cefquinom ist ein halbsynthetisches Cephalosporin. Die besondere Struktur eines Zwitterions (eine positve und eine negative Ladung in einem Molekül) ermöglicht eine extrem schnelle Penetration der Bakterienzellwand. Ferner besteht eine hochgradige Stabilität gegenüber β-Laktamasen. Die Gefahr einer Resistenzentwicklung gegen Cefquinom ist somit sehr gering.
Im Rahmen von Empfindlichkeitsprüfungen von bakteriellen Mastitiserregern gegenüber Cefquinom (insgesamt 1.229 Isolate) im Zeitraum von 1994 bis 1997 wurden für KNS lediglich in 1,9% der Fälle und für E. coli bei 0,38% der Isolate Resistenzen nachgewiesen. Für die anderen Mastitiserreger (Sc. agalactiae, Sc. dysgalactiae, Sc. uberis, S. aureus, A. pyogenes, andere Enterobacteriaceae) wurden gar keine Resistenzen gefunden.
Das antibakterielle Spektrum von Cefquinom ist weit. Es werden sowohl die wichtigen Erreger von Atemwegserkrankungen (P. multocida, M. haemolytica, H. somnus) als auch die für Mastitiden beim Rind relevanten Bakterien (Sc. agalactiae, Sc. dysgalactiae, Sc. uberis, S. aureus, A. pyogenes, E. coli, KNS und andere Enterobacteriaceae) abgedeckt .
Pharmakokinetik*und Diffusion >>>
Cefquinom ist bis zu fünf Wochen nach der Anwendung im Sekret des trockengestellten Euters nachweisbar. Die minimale Hemmstoffkonzentration von Sc. uberis wird auch drei Wochen nach der Anwendung noch überschritten. Eine optimale Verteilung im Eutergewebe wird dadurch erreicht, dass der Wirkstoff durch ein spezielles Verfahren feingemahlen wird. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Wirkstoffkonzentration an der Euterbasis 7 Tage nach der Verabreichung vergleichbar war mit der Wirkstoffkonzentration im Bereich der Zisterne. Die gleichmäßige Verteilung über das ganze Euter stellt sicher, dass auch Keime erfasst werden, die sonst schwer zugänglich sind.
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