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Equine Infektiöse Anämie (EIA)

Einleitung

Die Infektiöse Anämie der Einhufer (Equine Infektiöse Anämie, EIA) ist zwar weltweit verbreitet, kommt in Deutschland jedoch nur vereinzelt vor. Meistens sind Importe die Ursache (FLI, 2017).

Aktuell kursiert das Virus unter Polopferden in Deutschland und den Niederlanden. (Stand: 13.7.17) Kommt es zu einer Infektion, hat dies für das Tier fatale Folgen, nicht zuletzt, da es sich bei der EIA um eine anzeigepflichtige Erkrankung handelt. Das bedeutet, jedes Tier muss aus Gründen der Seuchenbekämpfung getötet werden.

Mehr über die EIA, den Erreger, die Infektionswege und die tierseuchenrechtlichen Maßnahmen erfahren Sie in diesem Fokusthema.

Erreger

Die Equine Infektiöse Anämie (EIA), die auch als Infektiöse Anämie der Einhufer bezeichnet wird, ist seit alters her beschrieben. Ein weiterer Name für diese Erkrankung ist Sumpffieber der Einhufer, da ihr Auftreten in Beständen mit Insekten in Zusammenhang gebracht wurde, die bevorzugt in Feuchtgebieten leben.

Bei der EIA handelt es sich um eine systemisch lymphoproliferative Viruserkrankung von Pferden, Esel und Maultieren. Bei dem Erreger handelt es sich um ein Retrovirus, das sich in Blutzellen wie Monozyten und Makrophagen vermehrt (FLI 2006). Das EIA-Virus ist ein Lentivirus und gehört zur Familie der "Immunodeficiency viruses". Somit handelt es sich um ein behülltes, einsträngiges RNA-Virus (Thein 2005, Wiese et al. 2005). Vom EIA-Virus sind verschiedene Serotypen bekannt. Das Virus ist empfindlich gegenüber Hitze, saurem pH-Werten und Lipidlösungsmitteln. Dennoch ist er relativ stabil gegenüber Umwelteinflüssen. Insbesondere in abgetrocknetem Blut kann das Virus bis zu sieben Monaten infektiös bleiben, was für das Risiko einen iatrogenen Übertragung eine Rolle spielt. Während Kälte der Erreger stabilisiert, wird er durch Hitze und vor allem durch direkte Sonneneinstrahlung schnell inaktiviert.
Bei Temperaturen im Bereich um – 4 C° kann die Infektiosität sogar über einen Zeitraum von bis zu 5 Jahren erhalten bleiben.

Als Desinfektionsmittel eignen sich neben Lipidlösungsmitteln vor allem stark saure und alkalische Substanzen (Thein 2005). Das FLI (2006) empfiehlt zur Desinfektion auch Detergenzien, Hologenderivate oder quaternäre Ammoniumverbindungen. Formalin und Glutaraldehyd sind dagegen weniger wirksam.

Vorkommen & Verbreitung

Die Infektiöse Anämie der Einhufer (EIA) ist weltweit verbreitet, tritt aber regional gehäuft in Nord- und Südamerika, Afrika, Asien, Australien sowie Süd- und Osteuropa auf (FLI 2006), wo auch ihr Ursprung liegt (LTK Thüringen 2006). In nord- und mitteleuropäischen Länder kommt sie nur sporadisch vor. Das Virus ist in Deutschland nicht heimisch, es treten aber vereinzelt EIA-Ausbrüche auf.

In Deutschland waren bisher traditionell die Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Niedersachsen betroffen (Thein 2005). Sie betrafen jedoch nur wenige Tiere. Der aktuelle Ausbruch hierzulande betrifft bisher (Stand: 13.07.17.) nachweislich 11 Pferde. Auffällig ist, dass alle Tiere dem Polo-Sport entspringen. Der erste Fall wurde im Landkreis Niedersachsen in Verden gemeldet. Seitdem kamen weitere Meldungen aus Niedersachen, zudem aus Bayern, Nordrhein-Westfalen und Hamburg hinzu. Im zeitlichen Zusammenhang zu den Fällen in Deutschland trat die EIA am 28. Juni erstmals überhaupt in den Niederlanden auf und am 5. Juli kehrte die Krankheit in die Schweiz zurück. In diesem Land war es der erste Ausbruch der Krankheit seit 1991 Auch die in den Niederlanden und der Schweiz betroffenen Tiere waren Polopferde. (OIE, FLI) Weitere Reihenuntersuchungen wurden angeordnet.

Die Ursache für die Ausbrüche ist noch nicht abschließend geklärt. Da bei vielen dieser Tiere ein Zusammenhang zu Ställen in Argentinien besteht, wird jedoch gemutmaßt, ob dort die Quelle des aktuellen Ausbruchs sitzt. Hierfür gibt es bislang jedoch noch keinen epidemiologischen Beweis.

Ebenso wie andere Retroviren ruft auch das EIA in der Regel eine lebenslange Viruspersistenz bei Pferden hervor, die zu Ausscheidung und Aktivierung führen kann. Persistent infizierte Pferde scheiden das Virus mit allen Körperse- und Exkreten aus. Neben dem direkten Kontakt oder durch Tröpfcheninfektionen kann das Virus auch durch die Aufnahme virushaltiger Nahrung oder die Tränke sowie über die verletzte Haut übertragen werden. Auch eine Ansteckung über den Deckakt sowie eine intrauterine Infektion der Frucht ist möglich. Besonders in der virämischen Phase (Fieberphase) können blutsaugende Insekten (Pferdebremse, Moskitos, Arthropoden) das Virus aufnehmen und es als Biovektoren von Pferd zu Pferd übertragen. Insekten gelten als Hauptinfektionsweg, während Kontaktinfektionen von Pferd zu Pferd eine eher untergeordnete Rolle spielen.

In Sumpfgebieten tritt die Krankheit häufig, den biologischen Rhythmen der Biovektoren folgend, saisonal auf und der Erreger scheint ebenso wie seine Biovektoren regional fixiert zu sein. Der Spätsommer und der Frühherbst, die Schwärmzeiten vieler Insekten, bilden entsprechend die saisonalen Spitzen der EIA-Ausbrüche (Thein 2005). In den Insekten findet jedoch keine Virusvermehrung statt. Außerdem bleibt das EIA-Virus an den Mundwerkzeugen der Insekten nur etwa 30 Minuten infektiös, so dass eine Übertragung des Virus über eine größere räumliche Distanz hinweg nicht vor (FLI 2006). Voraussetzung für die regionale Etablierung einer Infektion ist eine sehr hohe Bremsendichte, wie sie üblicherweise in den mitteleuropäischen Klimazonen aber nicht erreicht wird (FLI 2006).

Fohlen können sich außerdem intrauterin und neonatal über das Kolostrum und die Milch chronisch kranker Stuten infizieren. Erfolgt die intrauterine Infektion erst im letzten Drittel der Trächtigkeit, kann es außer zu einem Abort auch zur Geburt lebensschwacher Fohlen kommen, die nach wenigen Stunden verenden. Bei der Geburt gesunder, seronegative Fohlen können sich beim ersten Saugakt über den Gastrointestinaltrakt infizieren. Die Fohlen erkranken dann zwischen der sechsten Lebenswoche und dem vierten Lebensmonat. Etwa eine Woche nach dem Auftreten der ersten klinischen Symptome (Fieber > 40°C, Mattigkeit, Anorexie, Festliegen) sterben die inzwischen seropositiven Fohlen schließlich (Thein 2005). Eine Evidenz für eine venerische Übertragung über EIA-virushaltiges Sperma konnte bislang nicht nachgewiesen werden (FLI 2006).

Pathogenese

An der Equinen Infektiösen Anämie können Pferde, Maultiere und Esel jeden Alters erkranken. Die Erkrankung kann einen apparenten oder einen inapparent Verlauf mit lebenslanger Viruspersistenz und –Ausscheidung nehmen. Je nach dem kann das Pferd nach der Infektion akut erkranken und sterben oder zu einem chronisch kranken Virusträger werden. Diese Pferde stellen das bedeutendste Virusreservoir dar. In Abhängigkeit von der aufgenommenen Virusmenge und der Virulenz des Serotyps, kommt es post infectionem zur Virämie. Das Virus besitzt eine starke Affinität zum lymphoretikulären System und infiziert Lymphknoten, Lymphozyten, Knochenmarkszellen, Milz und Leber.

Untersuchungen weisen darauf hin, dass sich mit EIA-infizierte Zellen - bei deutlich eingeschränkter Virusexpression - der Immunabwehr entziehen können. Außerdem wurden speziell bei persistent infizierten Tieren Viren mit variierenden Epitopen gefunden, wodurch sie für eine Neutralisation durch die körpereigene Abwehr unempfindlich sind.

Auf Grund der immunpathologischen Vorgänge kommt es zu einer persistenten Infektion der Erythrozyten und mononukleären Blutzellen, da die Erythrozyten von EIA-infizierten Pferden Komplement (C3) und antivirale Antikörper tragen. Dies ruft eine antikörpervermittelte Lysis des Erythrozytenstromas hervor (Thein 2005, VU Wien). Darüber hinaus unterstützt ein sich einstellender Eisenmangel die manifeste Anämie durch ein Auszehren des Knochenmarks. Ablagerung von zirkulierenden Antigen-Antikörper-Komplexen in der Niere können eine Glomerulitis/Glomerulonephritis hervorrufen.

Klinik

Nur 30 bis 90 Prozent der infizierten Tiere sind sichtbar krank (FLI).

Je nach aufgenommener Virusmenge und der Virulenz beträgt die Inkubationszeit eine Woche bis drei Monate (Thein 2005), überlicherweise beträgt sie ein bis drei Wochen (FLI 2006). Die Klinik ist geprägt durch die pathognomonisch intermittierenden Fieberphasen. Während der virämischen Stadien kann die Körpertemperatur auf bis zu 42°C steigen. Bei solch einem akuten Verlauf können die Tiere binnen Stunden oder Tagen verenden (Thein 2005). Charakteristisch für den akuten Verlauf ist ein rascher Konditions- und Gewichtsverlust, Teilnahmslosigkeit, Somnolenz, Schwäche mit schwankendem Gang und Problemen beim Aufstehen, gestaute, ikterische Schleimhäute mit petechialen Blutungen (Konjunktiven, Zungengrund, Nasenscheidewand) sowie Senkungsödemen an Rumpf und Gliedmaßen. Gelegentlich treten auch zentralnervöse Störungen auf, Koliksymptome, Anzeichen von Nierenerkrankungen und Herz-Kreislauf-Schwäche. Wenn die betroffenen Tiere nach so einem Anfall nicht verenden, kann sich der Allgemeinzustand der Tiere kurzzeitig über eine oder mehrere Wochen bessern. Anschließend treten in der Regel neue Anfälle in unregelmäßigen Abständen auf. Für den häufiger auftretenden subakuten Krankheitsverlauf sind wiederholte Fieberattacken mit wenig ausgeprägten Allgemeinsymptomen charakteristisch. Jedoch treten auch hier petechiale Blutungen, Ödeme und Anämie auf. Entweder die Tiere verenden nach mehreren Anfällen oder die Erkrankung geht in das chronische Stadium über. Dieses ist durch lange fieberfreie Intervalle und wesentlich schwächer ausgeprägte Symptome gekennzeichnet.

Im Vordergrund stehen bei der chronischen Form der schleichende Konditionsverlust sowie Krankheit in Folge von Anämie und Hypogammoglobulinämie. Die chronische Form kann u.a. durch Stress oder Immunsuppression in die akute Form übergehen. Hierbei kann es zu plötzlichen Todesfällen oder akutem Verbluten kommen (Thein 2005).

Das Virus entzieht sich nach der Infektion der Immunantwort durch die Ausbildung immer neuer Varianten mit fortlaufender Änderung der Antigeneigenschaften und kann daher nicht aus dem Körper eliminiert werden. Infizierte Tiere bleiben deshalb lebenslang Virusträger. EIA-Antikörper-positive Tiere sind somit stets als Virusträger einzustufen (FLI 2006).

Patho-Histo

Bei der pathologischen Untersuchung von Pferden, die akut an der EIA verendet sind, fällt eine Vergrößerung von Milz, Leber, Herz und Nieren auf. Ebenso Hämorrhagien in den parenchymatösen Organen sowie in den Schleimhäuten des Darmbereichs. Die Schnittfläche der Leber ist muskatnussartig, die Lymphknoten sind geschwollen und blutig infiltriert. Das pathologische Bild von Tieren mit chronischem Krankheitsverlauf weist ähnliche Befunde auf. Hinzukommt, dass durch die starke Hämatopoese das gelbe Knochenmark durch rotes ersetzt ist.

Histologisch fallen vor allem degenerative Veränderungen in den parenchymatösen Organen auf. Außerdem enthalten die Kupfferschen Sternzellen und die freien Makrophagen Hämosiderin. Dies stammt aus den zerfallenen Erythrozyten. Es kann auf Grund einer Erythrophagie in Zellen des RES in Milz, Lunge und Nieren vorkommen. Des Weiteren sind generalisierte, lymphoproliferative Wucherungen mit perivaskulären Infiltrationen, Lymphhyperplasien sowie Leberzellnekrosen und Glomerulitis zu finden.

Diagnose & Differenzialdiagnosen

In infizierten Pferden können Antikörper und Virus gleichzeitig aufweisen. Etwa 2 Wochen post infectionem (p. i.) bilden sich komplementbindende Antikörper (Thein 2005). Diese sind spätestens 45 p. i. serologisch nachweisbar (FLI 2006). Die Möglichkeit des Antikörpernachweises bleibt etwa bis zwei Monate p. i. erhalten Virusneutralisierende Antikörper sind etwa vier Wochen post infectionem nachweisbar (Thein 2005).

Der Agargel-Immundiffusionstest (AGID, Coggins-Test) ist der Test der Wahl für die Diagnosestellung (FLI 2006). Der Test erkennt spezifische EIA-Virus-Antikörper und schließt zuverlässig andere Erkrankungen aus. Andere Tests müssen bei positivem Ergebnis durch den Coggins-Test abschließend bestätigt werden.

Der direkte Virusnachweis ist üblicherweise nicht notwendig, da davon ausgegangen werden muss, dass ein seropositives Tier das Virus beherbergt und potentiell weiterverbreiten kann. Der Nachweis von viralem Erbmaterial aus Blutzellen und Organmaterial ist mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) möglich (FLI 2006).

Eine serologische Reaktion von Fohlen jünger als sechs Monate kann auf einem passiven Transfer von Antikörpern der infizierten Muttertiere beruhen (FLI 2006).

Die klinische Symptomatik erlaubt nur eine Verdachtsdiagnose. Die Abklärung erfolgt mit Hilfe des Immundiffusionstests. Hier kann die Diagnose mit einer Sicherheit von 90% gestellt werden, selbst dann, wenn eine heterogene Virusinfektion vorliegt. In „klassischen“ EIA-Ländern wird ein EIA-Verdacht auf Grund des Nachweises und der Auszählung von Sideroleukozyten ermittelt, da diese Zellen für die EIA pathognomonisch sind. Ein EIA-Verdacht liegt vor, wenn vier oder mehr Sideroleukozyten auf 10.000 Leukozyten (USA, Australien, Südamerika) bzw. sieben oder mehr auf 100.000 Leukozyten (Japan) gezählt werden können. Als Differenzialdiagnose kommen die Arteritisvirusinfektion (EAV), Afrikanische Pferdepest, Leptospirose, Babesiose, Milzbrand, Salmonellosen, nicht-infektiöse Hepatopathien, Hepatoenzephalien, chronische Streptokokkeninfektionen mit Abszedierung und starker Parasitenbefall in Betracht.

Im Falle von intrauterinen und neonatalen Infektionen kommen differenzialdiagnostisch Infektionen mit EHV 1 bzw. 4, EAV, Leptospiren und Chlamydien in Betracht.

Bekämpfungsmaßnahmen

Die Equine Infektiöse Anämie ist in Deutschland anzeigepflichtig. Heil- und Behandlungsversuche sind ebenso wenig zulässig Schutzimpfungen. Die Bekämpfung der EIA wird in Deutschland durch die Verordnung zur Bekämpfung der Infektiösen Anämie der Einhufer geregelt.

Darin ist festgelegt, dass alle Equiden, bei denen die EIA serologisch mit Hilfe des Immundiffusionstest nachgewiesen wird, getötet werden. Der Grund dafür ist, dass auch persistent infizierte Tiere lebenslang Virusträger und Virusausscheider sein können und das Virus über diese Tiere mit Hilfe von blutsaugenden Insekten weiterverbreitet werden kann.

Bestände, in denen das Virus nachgewiesen wird, werden umgehend gesperrt. Die Sperrung infizierter Bestände wird aufgehoben, wenn alle Einhufer in zwei Kontrolluntersuchungen im Abstand von mindestens vier Wochen negativ getestet wurden. Die erste Nachuntersuchung darf frühestens 21 Tage nach der Tötung des letzten infizierten Einhufers erfolgen (FLI 2006).
Weiterhin werden in der Verordnung auch die hygienischen Maßnahmen, Insektenbekämpfung usw. geregelt (Thein 2005).

Literatur

1 Equine Infektiöse Anämie

  Thein, Peter
  Handbuch Pferdepraxis, s. 690-693


2 Retroviridae

  Wise D.J., Carter G.R. und Flores E. F.
  A Concise Review of Veterinary Virology
  Website


3 Equine Infektiöse Anämie, Aktuelles

  FLI
  FLI
  Website


4 Equine Infektiöse Anämie

  FLI
  FLI
  Website


5 Tierseucheninformationsdienst

  FLI
  FLI
  Website


6 OIE World Animal Health Information System

  OIE
  OIE
  Website