Der Dessauer Zukunftskreis (DZK) hat im April 2025 in einem intensiven Workshop gemeinsam mit der Firma VetZ und unter Leitung von Stephan-Günther Dolle ein facettenreiches Zukunftsbild der digitalisierten tierärztlichen Praxis im Jahr 2030 entworfen. Ziel war es mit Hilfe von LEGO® SERIOUS PLAY® und PLAYMOBIL® Pro, praktikable, wirtschaftlich tragfähige und tierwohlorientierte Konzepte zu entwickeln, die auf die spezifischen Bedürfnisse von Kleintier-, Pferde- und Nutztierpraxen eingehen. Dabei wurde klar: Digitalisierung ist keine ferne Vision mehr – wir sind mittendrin. Eine neue Ära hat begonnen.
Digitalisierung als Ergänzung – nicht als Ersatz
Zentraler Leitgedanke des Workshops war es, durch digitale Technologien die Arbeit von Tierärzt:innen gezielt zu entlasten. Die Tierärzt:innen bleiben die entscheidenden Instanzen in der Diagnostik, Therapie und Kommunikation, aber eben unterstützt durch smarte Tools, die Prozesse vereinfachen, beschleunigen und dokumentieren. Die Digitalisierung wird entsprechend als „menschlich-digitale Symbiose“ verstanden: Maschinen übernehmen in erster Linie repetitive Aufgaben, damit mehr Zeit für die medizinische Arbeit und persönliche Betreuung bleibt.
Praxisspezifische Digitalisierungskonzepte
1. Kleintierpraxis 2030:
- Automatisierte Patientenreise: Sensorbasierte Anamnese, digitale Terminplanung, Drohnen-Triage.
- Intelligente Behandlungsräume: Spracherkennung, KI-gestützte Diagnostik, automatisierte Medikamentenabgabe.
- Digitale Nachsorge: Quick-Checkout, Behandlungsplan aufs Smartphone, personalisierte Produktempfehlungen.
- Papierlose Verwaltung: KI zur Prozessoptimierung, DATEV-Anbindung, Cloud-Speicherung.
2. Pferdepraxis 2030:
- Fokus auf mobile Praxis: KI-Chatbots für Terminvergabe und Routenplanung, Sprachassistenz zur Protokollierung.
- Digitale Diagnostik unterwegs: z. B. Bewegungsanalyse per App, Audiozusammenfassungen früherer Fälle.
- Nachsorge und Dokumentation: Automatisierte Dokumentenübermittlung und Erfolgskontrolle im Team.
3. Nutztierpraxis 2030:
- Vollintegriertes Bestandsmanagement: Sensoren und KI zur Früherkennung von Gesundheitsproblemen.
- Medikamentenlogistik: Drohnenlieferung, automatisierte Medikamentenboxen auf den Höfen.
- Betriebsberatung: Kombination veterinärmedizinischer, betriebswirtschaftlicher und tierethischer Daten.
Ökonomische Perspektive: Digitalisierung lohnt sich
Investitionen zwischen 30.000 – 100.000 € pro Praxis führen zu Effizienzsteigerungen von 20–30 % und amortisieren sich meist innerhalb von 18–24 Monaten. Besonders hohe Nutzenpotenziale wurden für Kleintierpraxen identifiziert, etwa durch automatisierte Kommunikation und Dokumentation.
Zentrale Herausforderungen
Offen bleiben teilweise rechtliche Fragen (z. B. Telemedizin, Datenschutz). Es muss vermehrt durch Schulungen in digitale Kompetenzen des Personals investiert werden bzw. die Anforderungen an die Fähigkeiten und Kenntnisse des Personals werden sich verändern und angepasst werden müssen, was auch die Inhalte des Veterinärmedizinstudiums betreffen sollte. Für die Integration neuer Systeme in bestehende Praxisabläufe bedarfs es zum einen Schnittstellen, zum anderen muss entsprechend Zeit und Knowhow bereitgestellt werden.
Wichtig: Die menschliche Komponente darf bei aller Technik nicht vernachlässigt werden, die Menschen (Tierärzte, TFA, Praxismanager und Tierhalter) müssen abgeholt werden und dürfen nicht überfordert werden.
Fazit
Die Vision einer digitalisierten Tierarztpraxis ist technisch umsetzbar, wirtschaftlich sinnvoll und medizinisch hilfreich – vorausgesetzt, sie wird sinnvoll geplant, gestaffelt umgesetzt und fachlich begleitet. Die Zukunft der Veterinärmedizin wird digital. Wer frühzeitig Kompetenzen in digitaler Diagnostik, KI-gestützter Praxisführung und interdisziplinärer Zusammenarbeit aufbaut, wird bestens aufgestellt sein, um den Wandel aktiv mitzugestalten.